Rz. 42
Auf dem Gebiet des Rechtes der Fahrerlaubnis geht es häufig nicht nur um die Kenntnis von Rechtsnormen und die Rechtsanwendung, sondern meistens ist die Unterstützung durch Sachverständige erforderlich.
Dies gilt beispielsweise für angewandte Messverfahren. Hierzu kann bei der Rechtsschutzversicherung eine Deckungszusage eingeholt werden, um die Kostenübernahme nach den Versicherungsbedingungen abzuklären. In vielen Fällen kann dann anhand der Sachverständigengutachten eine Beendigung des Verfahrens betrieben werden. Einige Sachverständige geben auch bei korrekter Messung wenigstens Hinweise für den Rechtsanwalt, wie er ggf. Verteidigungsansätze finden kann.
Rz. 43
Auch bei aktuellen Verfahren können die Gerichte kaum ohne sachverständige Hilfe auskommen: So war beispielsweise ein Unfallrekonstruktionsgutachten wie auch ein forensisches Sachverständigengutachten zur Frage der Schuldfähigkeit in dem spektakulären Fall der sog. "Ku‘Damm-Raser" erforderlich.
Ergebnis der Entscheidung im Zusammenhang mit den Ku’Damm-Rasern war eine deutlich herabgesetzte Akzeptanz von Autorennen und die aufkommende Neigung der Staatsanwaltschaft, dieses Verhalten als Verbrechen zu verfolgen. Denn das LG Berlin hatte in seiner Entscheidung bedingten Vorsatz und das Vorliegen von Mordmerkmalen bejaht, so dass eine Verurteilung wegen Mordes erfolgte und eine lebenslange Sperre der Fahrerlaubnis nach Entzug ausgesprochen worden ist. Der Bundesgerichtshof hat mit Entscheidung vom 1.3.2018 das Urteil mitsamt der Feststellungen aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Seiner Auffassung nach könne bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr, die nicht von vornherein auf die Verletzung einer anderen Person oder die Herbeiführung eines Unfalls angelegt sind, eine vom Täter erkannte Eigengefährdung durch seine riskante Fahrweise dafür sprechen, dass er auf einen guten Ausgang vertraut hat. Eine generalisierende Betrachtung sei bei den Raser-Fällen nicht möglich, entscheidend sei die Einzelfallbewertung durch den Tatrichter. Im Folgeprozess vor dem Landgericht Berlin wurde gegen einen der Täter erneut eine Verurteilung wegen Mordes ausgesprochen. Die Revision eines der beiden Angeklagten wurde verworfen, die weitere Revision hatte wiederum Erfolg und mündete in einem dritten Verfahrensgang in einer Verurteilung wegen versuchten Mordes. Der Verfahrensgang, der bis zum Bundesverfassungsgericht reichte, zeigt, wie umstritten die einzelnen Aspekte dieser Fallgruppe waren.
Rz. 44
In der Praxis ist es so, dass die "Eignung" bzw. "Nichtgeeignetheit" nicht durch den Juristen beurteilt wird, sondern auf der Grundlage eingeholter Sachverständigengutachten. Hier bietet es sich für den Anwalt an, sich zu vergewissern, ob zu speziellen Fragen Sachverständige oder Sachverständigendienste zur Verfügung stehen (hierzu wird verwiesen auf die Liste aller amtlich anerkannten verkehrspsychologischen Berater im Internet unter www.bdp-verband.de/profession/bdp-zertifizierungen/anbieterinnen-und-anbieter-von-psychologischer-beratung-im-internet).
Festzustellen ist, dass die sachgerechte Bearbeitung eines Mandats bei Drogenproblematik neben der fundierten Kenntnis des Fahrerlaubnisrechts nicht ohne "Grundwissen im toxikologisch-pharmakologischen Bereich" möglich ist.
Praxistipp
Ebenso ist in Bußgeldverfahren mit Geldbußen und Fahrverboten zu rechnen. Im Rahmen der Feststellung des Vorwurfs ist daher auf ausreichende Feststellungen zum Drogenkonsum zu achten, weil dies bei der Wiedererteilung eine erhebliche Rolle spielt. Der Verteidiger sollte dafür sorgen, dass der Hintergrund der Drogenfahrt im Hinblick auf Vorsatz und Fahrlässigkeit genau zu ermitteln und im Urteil darzustellen ist. Denn bei länger zurückliegendem Konsum kann sogar die Fahrlässigkeit entfallen.