Rz. 50
Welche Konsequenz ein Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO auf die anwaltliche Vergütung hat, wird im Berufsrecht nicht geregelt. Der Verstoß gegen das Tätigkeitsverbot könnte die Nichtigkeit des Anwaltsvertrags und damit den Verlust aller Gebührenansprüche bedeuten, sofern das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen als Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB verstanden werden kann.
Rz. 51
Die Frage, ob ein Verstoß gegen das Tätigkeitsverbot die Nichtigkeit des Anwaltsvertrags und damit den Untergang der Vergütungsansprüche zur Folge hat, wurde vom Bundesgerichtshof in seinen bisherigen Entscheidungen offengelassen. Gegen eine Nichtigkeit und einen Verlust der Vergütungsansprüche wird in der Literatur angeführt, dass ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB in der Regel nur dann zur Nichtigkeit führt, wenn sich beide Vertragsparteien verbotswidrig verhalten haben. Einseitige Verbote – wie etwa das berufsrechtliche Verhaltensgebot von § 43a Abs. 4 BRAO – führen hingegen nicht ohne weiteres zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts; vielmehr soll das verbotswidrige Rechtsgeschäft in der Regel nicht nichtig sein. In einer aktuellen Entscheidung ist der Bundesgerichtshof der Literaturansicht unter der Berücksichtigung der Anwendbarkeit von § 134 BGB entgegengetreten.
Rz. 52
Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich aus dem Gesetz ein anderes nicht ergibt. Für die Rechtsfolge der Nichtigkeit bedarf es zwei Voraussetzungen:
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Vorliegen eines Verbotsgesetzes, |
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Verstoß gegen das Verbotsgesetz, der zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt. |
Rz. 53
Zunächst bedarf es einer Rechtsnorm im Sinne von § 2 EGBGB, die bestimmte Rechtsgeschäfte wegen ihres Inhalts oder wegen der besonderen Umstände ihrer Vornahme untersagt und nicht bloß ordnungsrechtlichen Charakter hat. Die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts kann bei einem beiderseitigen Verstoß oder bei einem einseitigen Verstoß, sofern die andere Partei den Gesetzesverstoß kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt, angenommen werden. Sofern sich das Verbotsgesetz nur gegen das Verhalten einer Partei richtet, muss im Einzelfall geprüft werden, ob das Rechtsgeschäft nichtig oder im Interesse der redlichen Partei wirksam sein soll. Für die Annahme der Nichtigkeit ist hier entscheidend, dass es mit Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen oder bestehen zu lassen.
Rz. 54
Die berufsrechtliche Regelung des § 43a Abs. 4 BRAO stellt eine Rechtsnorm im Sinne von § 2 EGBGB dar. Die Norm hat unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck nicht nur einen ordnungsrechtlichen Charakter. Durch das Verbot der Vertretung der widerstreitenden Interessen soll das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Rechtspflege gewährleistet werden. Es wäre widersprüchlich dem Rechtsanwalt bei der Vertretung von widerstreitenden Interessen einen Vergütungsanspruch einzuräumen und gleichzeitig diesen nur berufsrechtlich unter Berücksichtigung der anwaltlichen Kardinalspflichten und dem dahinterstehenden Verbraucherschutz zu ahnden. Entsprechend begründet der Bundesgerichtshof unter Bezugnahme auf eine ältere Entscheidung die Nichtigkeit nach § 134 BGB.
Zitat
"In der Begründung dieser Entscheidungen heißt es jeweils, der Schutzzweck dieser Verbote, nämlich der Schutz des Vertrauens in die Rechtspflege und die Eindämmung von Interessenkollisionen, laufe weitgehend leer, wenn der Anwalt aus seiner verbotswidrigen Tätigkeit eine Vergütung beanspruchen könne. Nichts anderes gilt für das Tätigkeitsverbot des § 43a Abs. 4 BRAO. Der verbotswidrig geschlossene Vertrag ist nichtig und begründet auch dann keine Vergütungsansprüche des Rechtsanwalts, wenn sich die Beratung nicht im Nachhinein als wertlos erweist und gebührenpflichtig von einem neuen Anwalt wiederholt werden muss."
Rz. 55
Entgegen der Literaturansicht genügt dabei ein einseitiger Verstoß gegen den § 43a Abs. 4 BRAO für die Annahme der Gesamtnichtigkeit. Ohne das Vorliegen einer Gesamtnichtigkeit wäre der Anwaltsvertrag trotz Vertretung der widerstreitenden Interessen wirksam, wodurch dem Mandanten ein Wahlrecht zustehen würde, ob er die konfliktreiche Beratung bzw. Vertretung fortsetzen oder auf sie verzichten möchte. Gerade das berufsrechtliche Verhaltensgebot von § 43a Abs. 4 BRAO steht aber nicht zur Disposition der Vertragsparteien. Der Interessenwiderstreit kann nicht durch das Einverständnis des Mandanten im Hinblick auf die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und die im Interesse der Rechtspflege gebotene Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung abbedungen werden. Nach Sinn und Zweck von § 43a Abs. 4 BRAO steht die Annahme der Gesamtnichtigkeit des Anwaltsvertrages bei der Vertretung widerstreitender Interessen der Redlichkeit des Mandanten nicht entgegen.
Rz. 56
Insoweit ist ein Anwaltsvertrag, mit dessen Abschluss der...