Der Erblasser E hat in einem Testament verfügt, dass seine Ehefrau F Alleinerbin wird. Vor seinem Tod hatte der E seiner Ehefrau F 50.000 EUR geschenkt und seinem Sohn A zur Einrichtung einer Anwaltskanzlei 30.000 EUR zugewandt. Sein Sohn B hat kein Geld erhalten. Nach dem Tod des E beauftragen die Söhne A und B den Rechtsanwalt R zur Durchsetzung ihrer Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegenüber der unbeliebten F. Während der Vertretung erlangt der B davon Kenntnis, dass der E dem A vor seinem Tod 30.000 EUR zugewandt hat. Der B beruft sich auf die Anrechnung der 30.000 EUR auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch des A, § 2327 BGB. Der A wendet ein, dass die 30.000 EUR keine Schenkung, sondern eine bloße nicht übermäßige Ausstattung im Sinne von § 1624 Abs. 1 BGB sind. B beauftragt den R, dass dieser die 30.000 EUR bei der Durchsetzung der Ansprüche dem A auf seinen Anspruch anrechnet. Darf R die Anrechnung vornehmen oder muss er das Mandat niederlegen?
Der Rechtsanwalt R muss das Mandat aufgrund der Vertretung von widerstreitenden Interessen hier sofort niederlegen, § 43a Abs. 4 BRAO. Auf der Grundlage eines einheitlichen Lebenssachverhalts liegt bei der Vertretung zwischen den Brüdern A und B ein Interessengegensatz vor. R soll die Ansprüche im beiderseitigen Interesse der Brüder durchsetzen und zugleich zu Lasten des A die 30.000 EUR auf seinen Anspruch anrechnen. Hierfür müsste R die Streitfrage klären, ob die Zuwendung von 30.000 EUR eine Schenkung oder eine Ausstattung darstellt.
Eine Ausstattung ist dasjenige, was einem Kind mit Rücksicht auf seine Verheiratung oder auf die Erlangung einer selbstständigen Lebensstellung zur Begründung oder zur Erhaltung der Wirtschaft oder der Lebensstellung von dem Vater oder der Mutter zugewendet wird, § 1624 Abs. 1 BGB. Entscheidend ist, dass die Vermögensmehrung im Zusammenhang mit der Verheiratung oder der Erlangung einer selbstständigen Lebensstellung steht. Dabei findet das Schenkungsrecht auf die Ausstattungen, die nicht im Übermaß erfolgten, keine Anwendung. Insoweit kann die Ausstattung für das Pflichtteilsrecht in zweifacher Hinsicht Bedeutung erlangen:
1. |
Die Ausstattung muss im Pflichtteilsrecht grundsätzlich zum Ausgleich gebracht werden, da § 2316 Abs. 3 BGB gegenüber § 2050 Abs. 3 BGB bezogen auf die Ausgleichspflicht nicht disponibel ist. Ein Ausschluss kann nur durch einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht erlangt werden. |
2. |
Die Ausstattung muss bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen gemäß §§ 2325, 2327 BGB nur berücksichtigt werden, wenn die Ausstattung das den Umständen, insbesondere den Vermögensverhältnissen des Vaters oder der Mutter, entsprechende Maß übersteigt, § 1624 Abs. 1 BGB. Das jeweilige Übermaß muss danach als Schenkung behandelt werden, wodurch eine Zuwendung teils Ausstattung und damit ausgleichspflichtig und teils Schenkung und damit pflichtteilsergänzungspflichtig sein kann. |