Rz. 40
In erster Linie gilt das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen auch für alle Rechtsanwälte im Bereich von Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaften gleich welcher Rechts- oder Organisationsform, § 3 Abs. 2 S. 1 BORA. Entsprechend wird von § 3 Abs. 2 S. 1 BORA nicht nur die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisierte Sozietät erfasst, vielmehr zählen hierzu auch alle in einer Partnergesellschaft, Anwalts-GmbH, Anwalts-AG und in einer in Deutschland tätigen ausländischen Anwaltskanzlei verbundenen Berufsträger. Durch die Neufassung des § 3 BORA – auf der Grundlage der Sozietätswechselentscheidung des Bundesverfassungsgerichts – gilt das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen bei Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaften aber nicht ausnahmslos.
Rz. 41
§ 3 Abs. 2 S. 1 BORA gilt nicht, wenn sich im Einzelfall die betroffenen Mandanten in den widerstreitenden Mandaten nach umfassender Information mit der Vertretung ausdrücklich einverstanden erklärt haben und Belange der Rechtspflege nicht entgegenstehen, § 3 Abs. 2 S. 2 BORA. Im Einzelfall ist daher entscheidend, dass
1. |
die Rechtsanwälte die Mandanten, die in derselben Rechtssache beraten oder vertreten werden, umfassend informieren, |
2. |
sich die Mandanten derselben Rechtssache mit der Übernahme des Mandats ausdrücklich einverstanden erklären, wobei eine konkludente oder mutmaßliche Einwilligung nicht genügt, und |
3. |
Belange der Rechtspflege nicht entgegenstehen. |
Rz. 42
Gemäß § 3 Abs. 2 S. 3 BORA soll die Information und Einverständniserklärung in Textform erfolgen. Der Ausschluss der Vertretung widerstreitender Interessen ist so lange gewährleistet, wie jeglicher Informationstransfer zwischen den die widerstreitenden Interessen vertretenden Berufsträgern unterbunden und das Verschwiegenheitsgebot durchgesetzt wird. Kommt es schließlich zu einem Informationsaustausch, muss dieses Verhalten durch die Niederlegung der Mandate sanktioniert werden. Auf die Vorschrift von § 3 Abs. 3 BORA bei einem Sozietätswechsel sowie die Änderungen durch die BRAO-Reform soll an dieser Stelle nur hingewiesen werden. § 43a Abs. 4 BRAO soll durch die BRAO-Reform 2021 durch Regelungen zur Berufsausübungs- und Bürogemeinschaft ergänzt werden, die sich bisher ausschließlich nur in § 3 BORA befanden und zukünftig unter den Begriff "gemeinschaftliche Berufsausübung" fallen. Entsprechend soll § 43a Abs. 4 BRAO wie folgt gefasst werden:
Der Rechtsanwalt darf nicht tätig werden, wenn er einen anderen Mandanten in derselben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse beraten oder vertreten hat. Das Tätigkeitsverbot gilt auch für Rechtsanwälte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Rechtsanwalt ausüben, der nach Satz 1 nicht tätig werden darf. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 2 bleibt bestehen, wenn der nach Satz 1 ausgeschlossene Rechtsanwalt die gemeinschaftliche Berufsausübung beendet. Die Sätze 2 und 3 sind nicht anzuwenden, wenn die betroffenen Mandanten der Tätigkeit des Rechtsanwalts nach umfassender Information in Textform zugestimmt haben und geeignete Vorkehrungen die Einhaltung der Verschwiegenheit des Rechtsanwalts sicherstellen. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 1, das gegenüber einer Berufsausübungsgesellschaft besteht, entfällt, wenn die Voraussetzungen des Satzes 4 erfüllt sind. Soweit es für die Prüfung eines Tätigkeitsverbots nach Satz 1 oder Satz 2 erforderlich ist, dürfen der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen einem Rechtsanwalt auch ohne Einwilligung des Mandanten offenbart werden.“