A. Einführung
Rz. 1
Der im Erbrecht tätige Anwalt darf, wie jeder Anwalt, nicht gegen geltendes Recht verstoßen und damit seinen Gebührenanspruch gefährden. Gerade in erbrechtlichen Fallgestaltungen, die zum Teil einen Zeitraum von mehreren Jahren in Anspruch nehmen, sich dynamisch entwickeln können, so dass durch die Änderung der Interessen des Mandanten plötzlich Interessenkollisionen entstehen, die zu Beginn des Mandats noch nicht bestanden haben, ist die Gefahr des Rechtsverstoßes gegeben.
B. Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit im erbrechtlichen Mandat
Rz. 2
Der Gesetzgeber hat den Begriff des gebührenrechtlichen Gegenstandes nicht näher bestimmt. Maßgeblich ist allein der sachliche Gehalt dieser Tätigkeit ungeachtet der jeweiligen Person, für die der Anwalt tätig wird. Dies folgt aus der gesetzlichen Vorgabe in Nr. 1008 Abs. 1 VV RVG, wonach ein Gegenstand trotz Mehrzahl und Verschiedenheit der Mandanten derselbe sein könne. Worum es jeweils geht, bestimmt sich nach der anwaltlichen Aufgabenstellung im Einzelfall.
Rz. 3
Der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit wird aus dem Recht oder Rechtsverhältnis gebildet, auf das sich die jeweilige Tätigkeit des Anwalts bezieht. Was Gegenstand der Tätigkeit des Anwalts ist, bestimmt sich nach dem erteilten Auftrag. Es können demgemäß nur solche Tätigkeiten in Rechnung gestellt werden, die aufgrund des konkret erteilten Auftrags angefallen sind.
C. Annahme und Ablehnung des erbrechtlichen Mandats
I. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit
Rz. 4
Der Rechtsanwalt ist bei der Annahme oder Ablehnung eines erbrechtlichen Mandats unter Berücksichtigung der Privatautonomie frei. Ein Kontrahierungszwang besteht für ihn nicht. Welcher Inhalt dem Anwaltsvertrag bei der Annahme des Mandats zugrunde liegt, hängt von der konkret getroffenen Vereinbarung zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten im Einzelfall ab. Lehnt der Anwalt hingegen das Mandat ab, muss er dem Auftraggeber die Ablehnung nach § 44 S. 1 BRAO unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB), anzeigen. Unterlässt er eine solche Anzeige, hat er den daraus resultierenden Schaden zu ersetzen, § 44 S. 2 BRAO.
II. Berufsrechtliche Grundpflichten
Rz. 5
Obwohl der Rechtsanwalt bei der Annahme von Mandaten frei ist, können ihn berufsrechtliche Grundpflichten daran hindern, das Mandat anzunehmen oder fortzuführen.
Rz. 6
Die Berufspflichten werden in der juristischen Ausbildung meist stiefmütterlich behandelt, da sie nur selten einen Schwerpunkt der Ausbildung darstellen. Insbesondere jüngere Kolleginnen und Kollegen weisen im Berufsrecht Lücken auf. Diesbezüglich hat der Bundestag jüngst im Rahmen der BRAO-Reform die Einführung von § 43f BRAO beschlossen, wonach Anwältinnen und Anwälte künftig in einer Lehrveranstaltung von mindestens zehn Zeitstunden Kenntnisse im Berufsrecht, spätestens bis zum Ende des ersten Jahres nach Zulassung, erwerben müssen.
Schließlich scheuen aber auch ältere Kolleginnen und Kollegen teilweise die Auseinandersetzung mit den Berufspflichten. Insbesondere im Erbrecht spielt jedoch die Berufspflicht des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen bzw. des strafrechtlichen Parteiverrats eine bedeutende Rolle. Daher muss das Verbot der widerstreitenden Interessen aufgrund seiner hohen Praxisrelevanz im erbrechtlichen Mandat in den Vordergrund der vorliegenden Bearbeitung gerückt und der anwaltlichen Vergütung in Erbsachen vorangestellt werden.
1. Unabhängigkeit
Rz. 7
Den Rechtsanwalt trifft zunächst die allgemeine Verpflichtung zur Unabhängigkeit, wonach er keine Bindungen eingehen darf, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden, § 43a Abs. 1 BRAO. Daneben darf der Rechtsanwalt sich im Rahmen seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten, § 43a Abs. 3 S. 1 BRAO. Unsachlich ist danach insbesondere ein Verhalten, bei dem es sich um die bewusste Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzende Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrenslauf keinen Anlass geben, § 43a Abs. 3 S. 2 BRAO.
2. Verschwiegenheit
Rz. 8
Im Verhältnis zum Mandanten bildet die Verschwiegenheitspflicht aus § 43a Abs. 2 BRAO, § 2 BORA, § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB einen Hauptpunkt der anwaltlichen Berufspflichten. Die Verschwiegenheitspflicht bildet die unerlässliche Grundlage des Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Der Mandant darf darauf vertrauen, dass der Rechtsanwalt ohne seinen Willen keine Informationen offenbart, die ihm anvertraut worden sind. Die Verschwiegenheitspflicht umfasst daher alles, was dem Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufs bekannt geworden ist, ohne dass es darauf ankommt, von wem und auf welche Weise er sein Wissen erworben hat. Hierzu gehört nicht das Wissen, was dem Rechtsanwalt nur anlässlich seiner beruflichen Tätigkeit zur Kenntnis kommt, ohne dass ein innerer Zusammenhang mit dem Mandat besteht. Ein solcher Fall kann vorliegen, wenn der Rechtsanw...