Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 5
Bei seiner Beauftragung wird der Rechtsanwalt – vor allem wenn sich die Angelegenheit noch in einem vorgerichtlichen Stadium befindet – nicht stets vor vollendete Tatsachen gestellt, sondern er kann durchaus noch "etwas bewegen". Hier gilt der lateinische Rechtsgrundsatz "Ius vigilantibus scriptum": "Das Recht ist für den Wachsamen geschrieben." Gerade bei der außerforensischen Anwaltstätigkeit ist demgemäß vom Rechtsanwalt die Aufmerksamkeit gefordert, dafür zu sorgen, dass die Rechte des Mandanten gewahrt und zu dessen Gunsten ausgeschöpft werden. Anlässlich seiner Involvierung kann der Rechtsanwalt die Sach- und Rechtslage durchaus noch gestaltend beeinflussen, etwa durch:
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die Abgabe eines Angebots, § 145 BGB, ggf. auch unter Bedingungen, § 158 BGB, oder eine Zeitbestimmung, § 163 BGB, |
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eine Ablehnung, speziell bei einer verspäteten oder geänderten Annahme, § 150 BGB, |
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eine Anfechtungs- oder Rücktrittserklärung oder eine Kündigung, u.a. nach §§ 121, 123, 323 ff., 346 ff., 434, 440, 527, 622, 626 BGB, |
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eine Aufrechnungserklärung, § 388 BGB, |
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eine Fristsetzung, u.a. gemäß §§ 281, 326, 634 BGB, |
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das Geltendmachen von Reisemängeln, § 651g BGB, |
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eine In-Verzug-Setzung, §§ 287 f., 818 ff., 1613 BGB, |
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eine Mahnung, § 286 Abs. 1 BGB, |
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ein Minderungsverlangen, u.a. nach §§ 438, 536, 638 BGB, |
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ein Schuldanerkenntnis, §§ 780, 781 BGB, |
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einen Widerspruch bei einer sozial ungerechtfertigten Mietvertragskündigung, § 574 BGB. |
Rz. 6
Hier zeigt sich, dass auch materiell-rechtliche Normen entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung der Auseinandersetzung der Parteien haben können. Selbiges gilt, wenn bei dem Mandat die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der Kontrahenten im Vordergrund steht. Scheitert die derzeitige Erfüllung berechtigter Ansprüche des Mandanten beispielsweise lediglich an einer vorübergehenden fehlenden Liquidität des Anspruchsgegners (ohne dass die Voraussetzungen für eine spätere insolvenzrechtliche Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO greifbar sind), kommt in Betracht, dem Mandanten zu empfehlen, vom Anspruchsgegner Sicherheiten zu verlangen. Insofern sind folgende Rechtsinstitutionen von Bedeutung:
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Vorausleistungen, die für künftige Einzelfälle vereinbart werden, |
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die Abtretung einer Forderung, sog. Sicherungszession, |
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die Sicherungsübereignung von beweglichen Gegenständen, z.B. eines Kfz oder von Warenvorräten, |
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ein Schuldbeitritt, z.B. durch den Geschäftsführer persönlich, |
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eine Bürgschaft, ebenfalls durch den Geschäftsführer persönlich oder durch private Dritte, |
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eine Bankbürgschaft oder |
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eine Belastung im Grundbuch, soweit Grundvermögen vorhanden ist. |
In derartigen Fällen wird der Rechtsanwalt entsprechende rechtsgestaltende Entwürfe fertigen und seinen Mandanten im Einzelnen beraten.
Rz. 7
Der Rechtsanwalt hat den Mandanten in seiner Rechtssache grundsätzlich umfassend und möglichst erschöpfend rechtlich zu beraten. Insbesondere sind Zweifel und Bedenken, zu denen die Sach- oder Rechtslage Anlass gibt, sowie mögliche mit der Einleitung eines Rechtsstreits verbundene Risiken darzulegen. Erscheint eine beabsichtigte Klage wenig aussichtsreich, so muss der rechtliche Berater hierauf sowie auf die damit verbundenen Gefahren hinweisen.