Rz. 135

In Abgrenzung zur Aufhebung der elterlichen Vertretungsmacht kraft Gesetzes, die eine abstrakte Gefahr für die Kindesinteressen voraussetzt, erfordert der Ausschluss der Vertretungsmacht durch gerichtliche Entscheidung eine konkrete Gefahr eines Interessenwiderstreits gemäß § 1796 BGB, aufgrund dessen die Eltern gehindert sind, eine auch den Belangen des Kindes gerecht werdende Entscheidung zu treffen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1796 BGB ist den Eltern die Vertretungsmacht zu entziehen.

 

Rz. 136

Von einem konkreten Interessenwiderstreit ist dann auszugehen, wenn das Kindesinteresse nur auf Kosten des anderen Interesses durchgesetzt werden kann[502] und nicht zu erwarten ist, dass die Eltern trotz dieses Interessengegensatzes im Sinn des Kindes handeln werden.[503] Im Umkehrschluss ist ein Ausschluss der Vertretungsmacht nicht gerechtfertigt, solange ein Handeln der Eltern im Interesse des Kindes erwartet werden kann. Der Interessengegensatz muss zu dem Zeitpunkt vorliegen, in dem die Angelegenheit des Kindes wahrgenommen wurde oder wahrzunehmen ist. Der erhebliche Interessengegensatz muss an konkreten Umständen des Einzelfalles festgemacht werden können.

 

Rz. 137

Von einem solchen Interessengegensatz ist etwa dann auszugehen, wenn Regressansprüche des Kindes gegen seine Eltern wegen nicht ordnungsgemäßer Verwendung von Kindeseinkommen oder -vermögen in Rede stehen bzw. im Falle der Vaterschaftsanfechtung wenn der rechtliche Vater und die Mutter für das Kind gemeinsam sorgeberechtigt sind.[504] Von praktischer Bedeutung ist auch die Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts.[505]

[503] OLG Saarbrücken NJW 2011, 2306 m.w.N. zum – recht tückischen – § 52 Abs. 2 StPO; OLG Karlsruhe FamRZ 2004,51; OLG Stuttgart FamRZ 1983, 831; OLG Koblenz NZFam 2014, 716. Zur fehlenden Beschwerdeberechtigung der Staatsanwaltschaft siehe BGH FamRZ 2015, 42; OLG Frankfurt FamRZ 2014, 678; OLG Naumburg MDR 2015, 161.

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