Rz. 294

In dem Fall eines nachgewiesenen Missbrauchs[1102] durch einen Elternteil steht die mangelnde Erziehungseignung dieses Elternteils außer jeder Diskussion.[1103] Problematisch ist jedoch der Umgang mit einem lediglich bestehenden Verdacht unter Berücksichtigung der Tatsache eines relativ hohen prozentualen Anteiles falscher Anschuldigungen, der sich in einem Rahmen zwischen 25 % und 50 % bewegen dürfte,[1104] und des Umstandes, dass der Vorwurf in scheidungs- und familienrechtlichen Streitigkeiten auf jeden Fall wesentlich häufiger als sonst erhoben wird.[1105]

 

Rz. 295

Bereits mit Blick auf den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG) muss das Gericht entsprechenden Anhaltspunkten nachgehen[1106] und – sofern die Verdachtsmomente nicht bei der Anhörung der Beteiligten und des Kindes entkräftet werden – bei Vorliegen einer belastenden kindlichen Aussage ein Sachverständigengutachten über deren Glaubhaftigkeit einholen. Hierbei ist darauf zu achten, einen in diesen Fragen erfahrenen Gutachter zu bestellen,[1107] weil die Glaubhaftigkeitsbegutachtung, um ergiebig und verwertbar zu sein, strengen methodischen Anforderungen genügen muss.[1108] Nach § 163 Abs. 1 FamG muss das Gericht dem Sachverständigen eine Frist setzen, innerhalb derer er sein Gutachten zu den Gerichtsakten zu reichen hat. So wird vor allem im Interesse des Kindes die Schwebezeit bis zur Regelung der Situation deutlich verkürzt (zu den Problemen der Umgangsregelung in solchen Fällen siehe § 2 Rdn 166 ff.).

[1102] Zur familiengerichtlichen Kooperation in Fällen von Kindesmisshandlung und sexuellem Missbrauch siehe Schmid, FamRB 2014, 267.
[1103] OLG Brandenburg FamRZ 2010, 221; KG FamRB 2012, 241; Blath, FPR 1995, 71; Volbert, FPR 1995, 54.
[1104] KG FamRB 2012, 241; Carl, FamRZ 1995, 1183; Rakete-Dombek, FPR 1997, 218.
[1105] Dazu – mit vorbildlicher Risikoabwägung – KG FamRB 2012, 241; Salzgeber, Rn 1759; Schwenzer, Anh. Psych. Rn 257.
[1106] Rösner/Schade, FamRZ 1993, 1133; OLG Frankfurt FamRZ 1995, 1432.
[1107] Eine Anfrage bei der Jugendschutzabteilung der örtlichen Staatsanwaltschaft kann sich anbieten.
[1108] Siehe dazu – grundlegend – BGH FamRZ 1999, 1648.

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