Rz. 61

Zum 1.8.2001 ist das sog. LPartG[238] in Kraft getreten. Gegen dieses Gesetz gerichtete Normenkontrollanträge der Länder Bayern, Thüringen und Sachsen hat das BVerfG zurückgewiesen.[239] In der Entscheidung vom 17.7.2002[240] zur Verfassungskonformität dieses Gesetzes wurde ausgeführt, dass dem Rechtsinstitut Ehe durch die Einrichtung eines ihm nahe kommenden Instituts kein Nachteil drohe. Von einer Verletzung des Gleichheitsgebotes könne nicht deshalb ausgegangen werden, weil nichtehelichen heterosexuellen Lebensgemeinschaften der Zugang zu der Rechtsform der eingetragenen Lebenspartnerschaft verwehrt werde. Zu beachten ist auch, dass es kein verfassungsrechtliches Abstandsgebot gibt, das eine Schlechterbehandlung der eingetragenen Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe zwingend voraussetzen würde. Der Gesetzgeber könnte also die eingetragene Lebenspartnerschaften mit annähernd denselben Rechten und Pflichten ausstatten wie eine Ehe.[241]

 

Rz. 62

Eine Modifizierung hat das LPartG durch das zum 1.1.2005 in Kraft getretene Gesetz zur Überarbeitung des LPartG erfahren. Hierdurch wurde eine weitere Annäherung an das Rechtsinstitut der Ehe vorgenommen.[242] Gleichwohl gilt für die gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften kein gemeinsames Sorgerecht der Lebenspartner.[243] Allerdings wurde mit Wirkung vom 1.1.2005 durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15.12.2004[244] die Möglichkeit eingeführt, das leibliche Kind des anderen Lebenspartners zu adoptieren (§§ 9 Abs. 6, 7 LPartG, sogenannte Stiefkindadoption). Einen hiergegen gerichteten Normenkontrollantrag des Freistaats Bayern hat dieser im Jahr 2009 zurückgenommen. In einem nachfolgenden, zu einer Richtervorlage gefassten Beschluss[245] hat das BVerfG zu erkennen gegeben, dass diese Frage differenzierter Betrachtung bedarf.

 

Rz. 63

Nicht durch das LPartG ermöglicht wurde die sukzessive Adoption eines vor Begründung der Lebenspartnerschaft vom anderen Lebenspartner adoptierten Kindes. Durch Urt. v. 19.2.2013 hat das BVerfG entschieden,[246] dass der Ausschluss dieser Sukzessivadoption innerhalb einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sowohl das Kind als auch die betroffenen Lebenspartner in ihrem Recht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt. Dem Gesetzgeber wurde aufgegeben, bis 30.6.2014 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen, bis dahin ist § 9 Abs. 7 LPartG mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Adoption des angenommenen Kindes des eingetragenen Lebenspartners möglich ist. In dieser Entscheidung hat das BVerfG auch festgestellt, dass zwei gleichgeschlechtliche rechtliche Eltern eines Kindes beide Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG sind.

 

Rz. 64

Geregelt werden in § 9 LPartG die Befugnisse eines Lebenspartners, wenn der Elternteil des Kindes allein sorgeberechtigt ist. Man spricht daher auch von dem sog. kleinen Sorgerecht. Hierdurch wird der Tatsache Rechnung getragen, dass regelmäßig in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft auch Kinder aufwachsen werden und der Lebenspartner, der nicht Elternteil des Kindes ist, für dieses gleichwohl Aufgaben der Pflege und Erziehung übernimmt.[247]

[238] BGBl I, S. 266.
[242] Finger, FuR 2005, 5.
[243] Siehe aus soziologischer Sicht Buschner, Rechtliche und soziale Elternschaft in Regenbogenfamilien, NZFam 2015, 1103.
[244] BGBl I, S. 3396.
[246] BVerfG FamRZ 2013, 521.
[247] Kemper, FF 2001, 156; zum Ganzen eingehender Überblick in DNotI-Report 2011, 178; siche auch aus soziologischer Sicht Buschner, Rechtliche und soziale Elternschaft in Regenbogenfamilien, NZFam 2015, 1103.

1. Voraussetzungen und Rechtsfolgen des kleinen Sorgerechts

a) Bestehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft

 

Rz. 65

Essentielle Voraussetzung für die Anwendung des LPartG ist die Existenz einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Dies setzt voraus (§ 1 LPartG), dass zwei volljährige Personen gleichen Geschlechts, die in ihrer Geschäftsfähigkeit nicht eingeschränkt sind, nicht durch eine anderweitige Ehe oder Lebenspartnerschaft gebunden und auch nicht in gerader Linie miteinander verwandt oder verschwägert sind, vor der nach jeweiligem Landesrecht zuständigen Behörde eine Willenserklärung dahingehend abgegeben haben, eine Partnerschaft auf Lebenszeit führen zu wollen, verbunden mit der Bereitschaft zur wechselseitigen Fürsorge und Unterstützung sowie zur gemeinsamen Lebensgestaltung.[248]

[248] Finger, MDR 2005, 121; Weber, ZFE 2005, 187; Stüber, FamRZ 2005, 574.

b) Sorgerechtsregelungen

aa) Angelegenheiten des täglichen Lebens sowie von erheblicher Bedeutung

 

Rz. 66

Nach § 9 Abs. 1 LPartG hat der Lebenspartner des allein sorgeberechtigten Elternteils in Abstimmung mit diesem die Möglichkeit, in Angelegenheiten des täglichen Lebens des im jeweiligen Haushalt lebenden Kindes mit zu entscheiden.[249] Konkret bedeutet dies, dass die Entscheidungsbefugnis in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung (siehe dazu eingehend Rdn 116) allein dem sorgeberechtigten Lebenspartner obliegt. Erfasst wird hiervon etwa die Entscheidung zur konkreten Schul- bzw. Kindergartenwahl,[250] der a...

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