Rz. 1
Der Vertrag von Maastricht vom 7.2.1992 schuf die justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen als dritte Säule der Union. Nachdem hierauf erarbeitete Entwürfe scheiterten, überführte der Vertrag von Amsterdam vom 2.10.1997 die justizielle Zusammenarbeit in die "erste Säule". Dadurch wurde der Rat ausdrücklich ermächtigt, Maßnahmen zur Vereinbarung und Verbesserung der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Art. 61 lit. c, Art. 65 lit. a EG-Vertrag) und zur Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten (Art. 65 lit. b EG-Vertrag) zu erlassen. Die Effektivität dieser Kompetenzzuweisung wurde durch den Vertrag von Nizza vom 26.2.2001 ausgeweitet, indem dieser die Möglichkeit der Anwendung des Verfahrens mit einfacher Mehrheitsentscheidung (Art. 251 EG-Vertrag) auf die Maßnahmen gem. Art. 65 EG-Vertrag erstreckte, ausgenommen allein der "familienrechtlichen Aspekte" (Art. 67 Abs. 5 EG-Vertrag).
Rz. 2
Seitdem wurden auf EU-Ebene sukzessive immer mehr Bereiche des internationalen Kollisions- und Verfahrensrechts durch europäische Rechtsakte abgedeckt. Den Beginn machte das Zivilverfahrensrecht. So wurde das Brüsseler Übereinkommen vom 27.9.1968 "vergemeinschaftet" und mit leichten Änderungen – freilich einschließlich des Vorbehalts für erbrechtliche Streitigkeiten – in die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I-VO) überführt. Eine weitere Verordnung erging bereits am 29.5.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten und vereinheitlichte das internationale Verfahrensrecht in Ehesachen (Brüssel II-VO).
Rz. 3
Auch auf dem Bereich des internationalen Kollisionsrechts sind zahlreiche Verordnungen in Kraft: Das Römische Schuldvertragsübereinkommen vom 19.6.1980 ist in eine Verordnung umgegossen worden (Rom I-VO), die ab dem 17.12.2009 anwendbar ist. Bereits am 11.7.2008 ist eine Verordnung über das Kollisionsrecht der außervertraglichen Schuldverhältnisse (Rom II-VO) in Kraft getreten. Darüber hinaus hat sich die Kommission auch in das Gebiet des familienrechtlichen Kollisionsrechts hineinbegeben. Die Verordnung vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EU-Unterhaltsverordnung) vereinheitlichte nicht nur das internationale Verfahrensrecht in Unterhaltssachen, sondern durch Inkraftsetzen des Haager Unterhaltsprotokolls mittelbar für die EU-Mitgliedstaaten auch das Unterhalts-Kollisionsrecht.
Rz. 4
Mittlerweile musste die Kommission allerdings auch die Grenzen ihrer politischen Macht der Rechtsvereinheitlichung in Bereichen erfahren, in denen die politische Sensibilität der Mitgliedstaaten offenbar unterschätzt wurde. Die Rom III-Verordnung vom 20.12.2010 über das auf die Ehescheidung und Trennung des Ehebandes anzuwendende Recht betrifft ausschließlich das auf den Ausspruch der Scheidung, nicht aber das auf die Scheidungsfolgen anwendbare Recht und konnte lediglich im Wege der "verstärkten Zusammenarbeit" in 15 Mitgliedstaaten in Kraft treten. Wegen der besonderen Bedeutung für das Erbrecht sollte rechtzeitig zum Anwendungsstichtag der EuErbVO eine Verordnung zum internationalen Güterrecht in Kraft treten. Ein Vorschlag der Kommission vom März 2011 stieß allerdings auf den erbitterten Widerstand einiger Mitgliedstaaten, weil der Verordnungsvorschlag das Güterrecht mit der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und Ehen verknüpfte und die gefundenen Regeln einigen osteuropäischen Staaten zu weit, einigen westeuropäischen Staaten nicht weit genug gingen. Im Ergebnis scheiterte aber das Projekt. Die beiden Verordnungen zum Güterrecht von Ehen und von eingetragenen Partnerschaften ergingen am 24.6.2016 daher ebenfalls allein im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit, so dass weiterhin zehn EU-Mitgliedstaaten durch die Verordnungen nicht gebunden sind.
Rz. 5
Ob Art. 65 lit. b EG-Vertrag eine ausreichende Grundlage für den Erlass einer Verordnung gibt, die auch das internationale Zivilverfahrensrecht und das Kollisionsrecht auf dem Bereich der Erbfolge erfasst, war umstritten. Dies galt insbesondere für die Frage, ob derartige Maßnahmen auch für das Verhältnis zu Drittstaaten erlassen werden können. Nachdem aber die EuErbVO im Rat durch die Vertreter nahezu sämtlicher Mitgliedstaaten (ausgenommen allein Malta) angenommen worden ist, hat das Problem der kompetenzrechtlichen Legitimität seine Bedeutung verloren.
Rz. 6
Schon der Aktionsplan des Rates und der Kommission zur Umsetzung des Amsterdamer Vertrages vom 3.12.19...