Rz. 24

Die Erbrechtsverordnung ist am 4.7.2012 vom Rat verabschiedet und am 27.7.2012 im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden. Das Inkrafttreten erfolgte gem. Art. 84 Abs. 1 EuErbVO am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union, also am 17.8.2012.

 

Rz. 25

Um den Regierungen genügend Zeit für die rechtliche Umsetzung zu geben, vor allem für die Schaffung der für die Erstellung des Nachlasszeugnisses erforderlichen Ausführungsregeln, den Gerichten und Rechtsanwendern Zeit für die Ausbildung im neuen Rechtssystem und schließlich auch der Kommission Zeit für die Erstellung der einheitlichen Formblätter (Art. 80 EuErbVO) einzuräumen, wurde eine großzügige Übergangsfrist von drei Jahren bis zur Anwendung der Verordnung festgesetzt. Art. 84 Abs. 2 EuErbVO bestimmt daher, dass die Regeln der Verordnung erstmalig ab dem 17.8.2015 gelten.

 

Rz. 26

Als Übergangsregelung bestimmt Art. 83 Abs. 1 EuErbVO, dass die Verordnung auf die Rechtsnachfolge aller Personen Anwendung findet, die am 17.8.2015 oder danach verstorben sind. Diese Übergangsregelung betrifft sämtliche Teile der Verordnung. Damit ergibt sich praktisch Folgendes:

 

Rz. 27

Die rigiden Regeln über die internationale Zuständigkeit in Kapitel II der EuErbVO, die die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte eines einzigen Mitgliedstaates begründen, greifen allein dann ein, wenn der Erbfall nach dem 16.8.2015 eingetreten ist. Auch wenn die Klage nach dem Anwendungsstichtag rechtshängig gemacht wird, bleiben also für vor dem Stichtag eingetretene Erbfälle die bisherigen nationalen Regeln über die internationale Zuständigkeit anwendbar, so dass der Kläger erweiterte Möglichkeiten hat, die Klage im Inland rechtshängig zu machen – oder auch in einem anderen Mitgliedstaat zu klagen, wenn sich die Möglichkeit ergibt, dort ein günstigeres Urteil zu erstreiten.
Die europaweit vereinheitlichten Kollisionsnormen über die Bestimmung des auf erbrechtliche Fragen anwendbaren Rechts in Kapitel III der EuErbVO finden ebenfalls ausschließlich auf Erbfälle Anwendung, die nach dem 16.8.2015 eingetreten sind. Sonderregeln enthält Art. 83 Abs. 24 EuErbVO für die Fälle, in denen der Erbfall zwar nach dem Anwendungsstichtag eingetreten ist, der Erblasser aber vor dem Anwendungsstichtag eine testamentarische oder erbvertragliche Verfügung und/oder eine Rechtswahl getroffen hat (zu diesen Sonderregelungen siehe Rdn 28 ff., 32). Ist der Erbfall vor dem 17.8.2015 eingetreten, so hat jedes Gericht das anwendbare Recht nach dem eigenen zuvor geltenden nationalen IPR (lex fori) zu bestimmen. In Deutschland bleiben also weiterhin Art. 25 f. EGBGB anwendbar, so dass das Heimatrecht des Erblassers gilt, eine Rechtswahl allenfalls als nachlassspaltende Rechtswahl gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB möglich ist und für im Ausland belegende Güter ein vorrangiges Einzelstatut i.S.v. Art. 3a Abs. 2 EGBGB denkbar ist.
Die Verpflichtung zur Anerkennung und Vollstreckung erbrechtlicher Entscheidungen in Kapitel IV der EuErbVO gilt ausschließlich für nach dem Anwendungsstichtag ergangene Entscheidungen, die die Erbfolge in den Nachlass von nach dem 16.8.2015 verstorbener Personen betreffen, und soweit[26] das anwendbare Recht auf der Basis der EuErbVO bestimmt worden ist. Alle anderen Entscheidungen (also solche, die die Erbfolge von vor dem 17.8.2015 verstorbenen Erblassern betreffen) können allenfalls auf der Basis der autonomen zivilprozessualen Regeln über die internationale Anerkennung ausländischer Entscheidungen (in Deutschland: § 328 ZPO) anerkannt und vollstreckt werden, auch wenn sie erst nach dem 16.8.2015 ergangen sind.
Die Anerkennung von Urkunden gem. Art. 59 EuErbVO bezieht sich ausschließlich auf Urkunden zu solchen Erbfällen, die nach dem 16.8.2015 eingetreten sind.
Auch ein Europäisches Nachlasszeugnis zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat gemäß Kapitel VI der EuErbVO kann ausschließlich dann ausgestellt werden, wenn der Erbfall, dessen Erbfolge bezeugt wird, nach dem 16.8.2015 eingetreten ist. Für vor dem 17.8.2015 eingetretene Erbfälle kann also allenfalls ein nationales Zeugnis (in Deutschland: nicht gegenständlich beschränkter Erbschein gem. §§ 2353 ff. BGB) ausgestellt werden. Die anderen Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, diesen als "öffentliche Urkunde" i.S.v. Art. 59 EuErbVO oder als "gerichtliche Entscheidung" i.S.v. Art. 39 EuErbVO anzuerkennen.
[26] Zur Eingrenzung des Anwendungsbereichs bei Bestimmung des Erbstatuts auf der Basis bilateraler Abkommen siehe § 2 Rdn 196 ff.

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