Rz. 59

Hat man die einschlägige Kollisionsnorm ermittelt, so muss dieser die Rechtsfolge entnommen werden. Die Rechtsfolge besteht bei einer Kollisionsnorm darin, dass diese das anwendbare Recht bezeichnet (Verweisung). Das anwendbare Recht (Rechtsfolge) hingegen wird als "Statut" bezeichnet. Das auf die Erbfolge anwendbare Recht ist also das "Erbstatut", das auf die formelle Wirksamkeit des Testaments anwendbare Recht das "Testamentsformstatut", das auf die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe anwendbare Recht das "Güterstatut" etc.

 

Rz. 60

Dabei wird in der Kollisionsnorm das anwendbare Recht durch Bestimmung eines besonderen Tatbestandsmerkmals, des Anknüpfungspunkts, bezeichnet. Anknüpfungspunkt für das Erbstatut war z.B. in Art. 25 Abs. 1 EGBGB das Recht des Staates, dem der Erblasser zum Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls angehörte (Heimatrecht). Maßgeblicher Anknüpfungspunkt war also die Staatsangehörigkeit des Erblassers. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO dagegen verweist – vorbehaltlich einer Rechtswahl gem. Art. 22 Abs. 1 EuErbVO und vorbehaltlich des Falles, dass sich ausnahmsweise aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem Staat hatte – auf das Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für das Erbstatut ist also nunmehr der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers. Der gewöhnliche Aufenthalt wiederum ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei die Gesetzesmaterialien (in casu die Erwägungsgründe 23 und 24 der EuErbVO; siehe § 2 Rdn 5), die Rechtsprechung des EuGH und vorläufig die europäische Literatur zu konsultieren sind.

 

Rz. 61

Bei der Bestimmung des Testamentsformstatuts ergeben sich aus der alternativen Anknüpfung in Art. 27 Abs. 1 EuErbVO zahlreiche Verweisungen. So z.B. auf das spanische Heimatrecht des Erblassers (Art. 27 Abs. 1 lit. b Fall 1 und 2 EuErbVO), das französische Recht als das Recht des Errichtungsortes (Art. 27 Abs. 1 lit. a EuErbVO) und das englische Recht, weil der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Cambridge hatte (Art. 27 Abs. 1 lit. d Fall 2 EuErbVO). Die Testamentsformregeln aller dieser Rechtsordnungen wären also so lange durchzuprüfen, bis sich eine Rechtsordnung findet, die das befolgte Verfahren zur wirksamen Errichtung einer letztwilligen Verfügung genügen lässt.[46] Einschlägig dürfte insoweit das französische Recht als Recht des Errichtungsortes bzw. das spanische Recht als Heimatrecht sein, welches das Testament als holographes Testament anerkennt, während diese Testamentsform dem englischen Recht, welches stets die Beiziehung von Zeugen verlangt, unbekannt ist.[47]

[46] Zur Technik der alternativen Anknüpfung des Formstatuts siehe § 4 Rdn 14.
[47] Siehe Odersky, Länderbericht Großbritannien: England und Wales Rdn 48.

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