Dipl.-Kfm. Michael Scherer
A. Einführung
Rz. 1
Das Kostenrecht wird häufig für ein schwieriges Gebiet gehalten. Die Ursache für diese Ansicht liegt zum Teil darin begründet, dass vom Anfänger nicht selten versucht wird, eine Lösung jeweils nur für den einzelnen Kostenfall zu finden, ohne den Einzelfall im Gesamtzusammenhang der Kostenvorschriften zu sehen.
So wird es z. B. grundsätzlich unmöglich sein, die Vergütungsrechnung eines Rechtsanwaltes nur nach einer bestimmten Nummer des Vergütungsverzeichnisses des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) zu erstellen, ohne dabei zugleich die allgemeinen Vorschriften in den Paragrafen der einzelnen Abschnitte des RVG und auch die grundlegenden Wertvorschriften des 4. Abschnitts des RVG, des Gerichtskostengesetzes (GKG) und der Zivilprozessordnung (ZPO) anzuwenden.
Dieses Buch will in diesem Sinne die Grundlagen des Kostenrechts und die für das Verständnis notwendigen Zusammenhänge darstellen. Soweit dies erforderlich und im Rahmen eines Kostenbuches vertretbar ist, werden auch die für das Verständnis notwendigen Vorschriften des Verfahrensrechtes, insbesondere der ZPO und der Strafprozessordnung (StPO) in ihren Grundzügen dargelegt. Dies ist insofern bedeutsam, da Kostenrecht Folgerecht des Verfahrensrechtes ist; was heißt, dass ohne Kenntnis der Abläufe von Gerichtsverfahren zumindest in groben Zügen es schwerlich möglich sein wird, Verfahrenskosten korrekt zu berechnen.
Damit dies nicht nur graue Theorie bleibt, wird die praktische Anwendung aller behandelten Kostenvorschriften in ausführlichen Beispielen aufgezeigt. Weil praktische Tätigkeiten nicht nur theoretisch erlernt werden können und bekanntlich Übung den Meister macht, steht eine große Zahl von Übungsaufgaben im Aufgabenteil zur Verfügung. Da dieses Buch auch zum Selbststudium gedacht ist, werden zu den einzelnen Übungsaufgaben Lösungshinweise gegeben, die Sie als Denkanstöße zum Auffinden Ihres eigenen Lösungsweges betrachten sollten.
Es wurde versucht, die Darstellung auf die reinen Grundlagen zu beschränken, ohne auf jede Spitzfindigkeit aus Literatur und Rechtsprechung eingehen zu wollen. Diese Linie lässt sich jedoch nicht immer durchhalten. So gibt es auch zu in der Praxis sehr häufig auftretenden – also ganz "normalen" – Kostenfällen eine zu beachtende umfangreiche Rechtsprechung. Diese Rechtsprechung hat in dieses Buch nur insoweit Eingang gefunden, als sie grundlegende Richtlinien hergibt. Öfter als man es glaubt, ist aber die Rechtsprechung uneinheitlich, d. h. verschiedene Gerichte fällen zu gleichen Sachfragen unterschiedliche Urteile. In solchen Fällen wurde nur die Mehrheitsmeinung dargestellt, wobei in kritischen Fällen darauf hingewiesen wird, dass die Rechtsprechung noch keine einheitliche Meinung entwickelt hat. Der Fortgeschrittene wird in diesen Fällen beim Erstellen von Kostenrechnungen die einschlägigen Kommentare heranziehen und insbesondere auch die Rechtsprechung des zuständigen Gerichts bzw. Oberlandesgerichts.
Im Folgenden sollen erst einmal die unterschiedlichen Kostengesetze vorgestellt und ihre gemeinsamen Grundlagen dargestellt werden. Dazu ist auch die Klärung verschiedener Begriffe notwendig. Danach folgt eine Einführung in das RVG und in das GKG, wobei im Wesentlichen die Kosten für zivilrechtliche und strafrechtliche Sachverhalte behandelt werden.
B. Die Kostengesetze
Rz. 2
Die vier wichtigsten Kostengesetze sind:
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das Gerichtskostengesetz (GKG), welches die Gerichtskosten, insbesondere für den Zivilprozess, sonstige zivilprozessuale Verfahren (aus dem Bereich der streitigen Gerichtsbarkeit), den Strafprozess, sowie insbesondere wichtige Wertvorschriften enthält, |
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das Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen (FamGKG), welches die Gerichtskosten und die Wertvorschriften in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestimmt, |
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das Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG), welches die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestimmt, soweit sie nicht im FamGKG geregelt sind, und für Gerichte und Notare gilt, |
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das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), welches die Vergütung für die Tätigkeit der Rechtsanwälte regelt. |
Rz. 3
Weitere Gesetze, die Kostenbestimmungen enthalten, sind:
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die Zivilprozessordnung (ZPO), welche in den §§ 3 bis 9 Wertvorschriften enthält, die zum Teil auch für den Gebührenstreitwert gelten, sowie wichtige Bestimmungen darüber, welche Partei nach einem gerichtlichen Verfahren die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, |
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das Gerichtsvollzieherkostengesetz (GvKostG), welches die Gebühren und Auslagen für die Amtshandlungen der Gerichtsvollzieher regelt, |
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das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG), welches die Entschädigung von Zeugen und von ehrenamtlichen Richtern (z. B. Schöffen) für ihren Verdienstausfall und von Sachverständigen, Übersetzern und Dolmetschern für ihre Leistungen sowie für alle Personen Aufwandsentschädigungen und den Ersatz von Reisekosten bestimmt. |
Diese Aufzählung ist nicht vollständig.
Merke:
Das Kostenrecht umfasst die Rechtsvorschri...