Rz. 365
Beispielsfall:
Richterin A hat in erster Instanz eine Entscheidung getroffen. Nach Anfechtung dieser Entscheidung ist das zweitinstanzliche Gericht zuständig, für das der Richter B tätig ist. A und B leben in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen.
Rz. 366
Dieser Fall ist einer Entscheidung des OVG Bremen vom 12.5.2015 nachgebildet. Zu prüfen war, ob der in zweiter Instanz tätige Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen war. Dabei stellt sich die Frage, ob das Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zwischen der erstinstanzlichen und dem zweitinstanzlichen Richter einen Ablehnungsgrund darstellt. Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters dann statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, das Misstrauen in seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dazu genügt es, wenn vom Standpunkt der Beteiligten aus gesehen hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben können, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln.
Rz. 367
Allein der Umstand, dass erst- und zweitinstanzlicher Richter miteinander verheiratet sind, begründet nach der Rechtsprechung des BGH für sich genommen noch keinen Grund für die Besorgnis der Befangenheit. Stellt man die nichteheliche Lebensgemeinschaft und die Ehe einander gleich, wozu für die Beurteilung der Frage der Befangenheit wegen der vergleichbaren Lebenssituation aller Anlass besteht, so rechtfertigt allein der Umstand, dass die erstinstanzliche Richterin und der Rechtsmittelrichter nichtehelich zusammen leben, sicher keinen Ablehnungsgrund. Das OVG Bremen hat das Ablehnungsgesuch vorliegend jedoch deshalb für gerechtfertigt gehalten, weil der zweitinstanzliche Richter gemäß § 48 ZPO verpflichtet gewesen wäre, von einem Verhältnis Anzeige zu machen, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte. Die Offenbarungspflicht des Richters ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz, doch folgt sie aus ihrer Funktion in Zusammenhang mit dem Gebot des Art. 103 Abs. 1 GG. Da der Richter seiner Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist, begründet allein dies seine Ablehnung, ohne dass es darauf ankam, ob das Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit der erstinstanzlichen Richterin für sich einen Ablehnungsgrund dargestellt hätte.