Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
a) Gerichtliche Verhandlung
Rz. 256
Die Terminsgebühr erhält der Anwalt zum einen für die Teilnahme an einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin vor Gericht, nicht jedoch für die Teilnahme an einem bloßen Verkündungstermin (Vorb. 3 Abs. 3 S. 2 VV RVG). Voraussetzung ist dabei, dass der Anwalt zumindest vertretungsbereit in der Verhandlung anwesend ist. Da die Rechtsfolgen jeweils dieselben sind, kann im Einzelfall für die Gebührenberechnung dahinstehen, ob ein Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin vorlag. Für seine bloße passive Anwesenheit ohne Vertretungsbereitschaft erhält der Anwalt keine Terminsgebühr, beispielsweise wenn er dem Gericht nur seine Mandatsniederlegung mitteilt.
Rz. 257
Es gibt im gerichtlichen Verfahren jedoch auch die Möglichkeit, eine Terminsgebühr ohne Verhandlungstermin zu verdienen (vgl. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG). Es sind dies die Fälle, in denen für das Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist und sodann im Einverständnis mit den Parteien (§ 128 Abs. 2 ZPO), nach § 495a ZPO oder nach § 307 ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden wird oder in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Der Anwalt erhält auch dann eine Terminsgebühr, wenn statt mündlicher Verhandlung das Zustandekommen eines vom Gericht vorgeschlagenen Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wird.
Rz. 258
Beispiel
Eigentümer E erhebt Klage über 10.000 EUR Brutto-Reparaturkosten aus einem Verkehrsunfall (Abrechnung auf Gutachtenbasis). Das Gericht unterbreitet den Parteien einen Vergleichsvorschlag, wonach der Gegner unter Abzug der Umsatzsteuer sowie eines Mithaftungsanteils aufgrund der Betriebsgefahr einen Betrag von 6.900 EUR zahlen solle. Die Parteien nehmen diesen Vorschlag durch Einreichen entsprechender Schriftsätze an.
Für den Anwalt des E sind folgende Gebühren aus einem Wert von 10.000 EUR entstanden:
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
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798,20 EUR |
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
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736,80 EUR |
3. 1,0-Einigungsgebühr, VV 1003 |
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614,00 EUR |
4. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
2.169,00 EUR |
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5. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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412,11 EUR |
Gesamt |
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2.581,11 EUR |
b) Sachverständigentermin
Rz. 259
Nach Vorb. 3 Abs. 3 Nr. 1 VV RVG lässt auch die Wahrnehmung eines Termins, den ein gerichtlich bestellter Sachverständiger anberaumt hat, eine Terminsgebühr in Höhe von 1,2 nach Nr. 3104 VV RVG entstehen.
Rz. 260
Der Sachverständige muss dafür bereits vom Gericht durch Beweisbeschluss bestellt sein. Die Teilnahme an einer Ortsbesichtigung mit einem Privatgutachter reicht nicht aus. Auch wenn der Sachverständige – wie es in Verkehrsunfallsachen häufig geschieht – nach § 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO terminsvorbereitend geladen ist und vor dem Termin eine Ortsbesichtigung durchführt, erhält der Anwalt für seine Teilnahme an dieser Ortsbesichtigung keine Terminsgebühr. Denn die gerichtliche Bestellung des Sachverständigen kann frühestens im nachfolgenden Verhandlungstermin erfolgen.
Rz. 261
Anders jedoch im selbstständigen Beweisverfahren oder bei einer Beauftragung des Sachverständigen nach § 358a Nr. 4 ZPO: Hierin liegt bereits eine gerichtliche Bestellung, so dass in dem vom Sachverständigen anberaumten Termin die Terminsgebühr entsteht. Dies ist aus Sicht des Anwalts insbesondere dann entscheidend, wenn der Gegner – beispielsweise aufgrund eines ungünstigen Ergebnisses der Beweisaufnahme – die Klage noch vor einem anschließenden gerichtlichen Verhandlungstermin zurücknimmt.
Rz. 262
Beispiel
F klagt gegen G auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall. Zwischen den Parteien ist insbesondere streitig, ob G den Wagen des F vor dem Zusammenstoß hätte sehen können. Das Gericht beauftragt einen Sachverständigen gemäß § 358a ZPO. Bei dem vom Sachverständigen anberaumten Ortstermin, an dem auch der Anwalt des G teilnimmt, stellt der Sachverständige fest, dass der Unfall für G aufgrund der Sichtverhältnisse unvermeidbar war. Daraufhin nimmt F die Klage zurück, ohne dass es noch zu einer gerichtlichen Verhandlung kommt.
Der Anwalt des G kann aufgrund seiner Teilnahme am Sachverständigentermin neben der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG auch eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG in Rechnung stellen.
c) Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts
Rz. 263
Der Anwalt erhält die 1,2-Terminsgebühr auch dann, wenn Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts zur Vermeidung oder Erledigung eines Verfahrens geführt werden, soweit er bereits einen Klageauftrag hat (vgl. zur Abgrenzung von der Geschäftsgebühr Rdn 79 ff.). Die Besprechung muss der Anwalt nicht selbst aktiv führen. Ausreichend ist es, wenn er an der Besprechung teilnimmt und jederzeit in der Lage ist, in den Verlauf des Gesprächs einzugreifen. Auch eine bestimmte Anwesenheits- oder Mitwirkungsdauer wird ma...