Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
Rz. 124
Um das Massengeschäft der Unfallschadensregulierung möglichst effektiv und einfach zu erledigen, hatten der Deutsche Anwaltverein und der HUK-Verband im Jahre 1971 ein Gebührenpauschalabkommen geschlossen, wonach die außergerichtliche Schadensregulierung durch eine Pauschalgebühr abgegolten wurde. Dieses Abkommen ist 1991 durch die vom DAV und dem HUK-Verband entwickelten "Verhaltens- und Abrechnungsgrundsätze bei der Regulierung von Kraftfahrzeughaftpflichtschäden" (sog. Regulierungsempfehlungen) abgelöst worden. Infolge des zum 1.7.2004 in Kraft getretenen RVG ist die Abrechnung nach diesen Empfehlungen ausgelaufen. Neue Regulierungsempfehlungen sind wegen kartellrechtlicher Bedenken nicht zu erwarten. Stattdessen bieten jetzt einige Versicherer individuelle Abrechnungsgrundsätze für Haftpflichtschäden an.
a) Allgemeines
Rz. 125
Die rechtliche Ausgestaltung dieser Abrechnungsgrundsätze ist je nach Versicherer unterschiedlich: Zum Teil wird dem Anwalt vom Versicherer der Abschluss einer Gebührenvereinbarung angeboten, die dann für alle künftigen Fälle bis zu ihrer Kündigung bzw. bis zu einer abweichenden Abrechnung durch den Anwalt gilt. Andere Versicherer haben die Abrechnungsgrundsätze in Form einer internen (Arbeits-)Anweisung an ihre Schadenbüros weitergegeben, die bei der Abrechnung mit dem Anwalt umgesetzt wird. Dies geschieht teilweise generell bei Haftpflichtfällen, teilweise nur auf Rückfrage des Anwalts. Nimmt der Anwalt eine derartige Abrechnung ohne Beanstandung hin, kann dies als konkludent getroffene Vereinbarung mit dem Versicherer gewertet werden.
Rz. 126
Die angebotenen Gebührensätze liegen zwischen 1,8 und 2,7 bzw. zwischen 1,5 und 2,25 und decken zumeist – auch hier ist jedoch immer auf die konkreten Regelungen zu achten – Geschäfts- und Einigungsgebühr sowie eventuelle Erhöhungen für mehrere Auftraggeber ab. Zusätzlich sind dem Anwalt seine Auslagen nach den gesetzlichen Vorschriften zu ersetzen.
Rz. 127
Die Höhe der pauschalen Gebührensätze ist vom Erledigungswert sowie davon abhängig, ob neben Sach- auch Personenschäden reguliert werden sollen. Bezieht sich nämlich die Regulierung (auch) auf Körperschäden und wird ein Erledigungswert von 10.000 EUR erreicht, erhöht sich die Pauschale von 1,8 auf 2,1 bzw. von 1,5 auf 1,75. Der Pauschalbetrag erhöht sich ebenfalls, wenn der Anwalt mehrere Auftraggeber vertritt.
Rz. 128
Die Vereinbarung einer Liquidation nach den Abrechnungsgrundsätzen unterliegt nicht den Formvorschriften des § 3a Abs. 1 RVG, da es sich nicht um die vom Mandanten zu zahlende, sondern um die vom Versicherer des Schädigers zu ersetzende Vergütung handelt.
Rz. 129
Soweit sich der Anwalt mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers auf eine Vergütung nach den Abrechnungsgrundsätzen geeinigt hat, ist zu beachten, dass es sich bei der Unfallschadensregulierung insoweit um ein Dreiecksverhältnis handelt: Der Anspruch auf Erstattung der zur Regulierung erforderlichen Anwaltskosten steht eigentlich dem Mandanten zu, da die Anwaltskosten einen Teil des Schadens bilden (vgl. dazu § 3 Rdn 63 ff.). Auch wenn der Anwalt gegenüber dem Versicherer nach den Abrechnungsgrundsätzen liquidiert, muss er im Innenverhältnis zu seinem Mandanten nach den gesetzlichen Gebühren abrechnen. Allerdings können sich aus den Abrechnungsgrundsätzen gewisse Reflexwirkungen auf das Verhältnis zum Mandanten ergeben (vgl. dazu § 3 Rdn 16 ff.).
b) Teilerledigungen
Rz. 130
Bei einigen Versicherern finden die Abrechnungsgrundsätze nur dann Anwendung, wenn der gesamte Schaden außergerichtlich reguliert wurde. Sobald also ein Teilbetrag – und seien es nur die Kosten – in ein gerichtliches Verfahren übergeht, kann der Anwalt gegenüber dem Versicherer nicht mehr nach den Abrechnungsgrundsätzen liquidieren. Dabei spielt es keine Rolle, wie das gerichtliche Verfahren ausgeht (Urteil, Vergleich, Klagerücknahme etc.), sondern nur, dass ein solchen Verfahren anhängig gemacht wird. Die Abrechnung erfolgt in diesen Fällen ausschließlich nach den gesetzlichen Gebühren des RVG.
Rz. 131
Beispiel
Nach außergerichtlicher Zahlung von 5.000 EUR (durchschnittliche Angelegenheit) auf den Gesamtschaden von 8.000 EUR erhält Anwalt A Prozessauftrag und klagt für Fahrer F den weitergehenden Schaden in Höhe von 3.000 EUR ein. Nach mündlicher Verhandlung einigen sich die Parteien, dass der gegnerische Haftpflichtversicherer noch 2.000 EUR zahlt.
Die Gebühren des A berechnen sich nach dem RVG wie folgt:
I. Außergerichtliche Tätigkeit (Wert: 8.000 EUR) |
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
|
652,60 EUR |
2. Auslagen, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
Zwischensumme |
672,60 EUR |
|
3. Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
127,79 EUR |
Gesamt |
|
800,39 EUR |
II. Gerichtsverfahren (Wer... |