Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
I. Allgemeines
Rz. 195
Für die Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren kann der Anwalt bei der Unfallschadensregulierung die Verfahrensgebühr nach Nrn. 3100, 3101 VV RVG, die Terminsgebühr nach Nrn. 3104, 3105 VV RVG und ggf. auch die Einigungsgebühr nach Nrn. 1000 VV RVG erhalten. Vertritt er im Verfahren mehrere Auftraggeber, so erhöht sich die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG um 0,3 für jeden weiteren Auftraggeber, soweit eine gemeinschaftliche Beteiligung vorliegt. Kann der Mandant das Verfahren nur mit Prozesskostenhilfe führen, so ist in Regulierungsprozessen der Vorrang des Versicherers nach E.1. 2.4 Muster-AKB 2019 zu beachten.
II. Verfahrensgebühr
1. Allgemeines
Rz. 196
Der nach Vorb. 3 Abs. 1 S. 1 VV RVG zum Prozessbevollmächtigten bestellte Anwalt erhält die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Die Verfahrensgebühr deckt die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts ab, die dieser außerhalb der mündlichen Verhandlung erbringt, und zwar vom Beginn des Klageauftrags bis zum Abschluss der Instanz. Es ist für das Entstehen dieser Gebühr gleichgültig, in welchem Verfahrensstadium der Rechtsanwalt zum Prozessbevollmächtigten bestellt wird, ob oder wie lange ein Rechtsstreit schon anhängig ist oder ob dieser erst anhängig gemacht werden soll. Entscheidend ist, wie der Gesetzgeber im Rahmen des 2. KostRMoG klargestellt hat, dass dem Anwalt ein unbedingter Auftrag als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigter erteilt wurde. Dieser Auftrag bildet die Schnittstelle zur außergerichtlichen Tätigkeit.
Rz. 197
Welche Tätigkeiten gebührenrechtlich zum Rechtszug gehören und daher von der Verfahrensgebühr abgegolten sind, ergibt sich aus § 19 RVG. Ausdrücklich nennt § 19 Abs. 2 RVG die Information, also die durch den Rechtsanwalt geleistete Informationsbeschaffung und -vermittlung, die grundsätzlich neben der Verfahrensgebühr nicht gesondert vergütet wird. Dies gilt auch dann, wenn die Informationsbeschaffung sehr arbeitsaufwendig sein sollte. Ferner deckt die Verfahrensgebühr auch sämtliche Besprechungen und sonstigen Kontaktaufnahmen ab, die der Rechtsanwalt mit seinem Auftraggeber führt.
Rz. 198
Beispiel
A ist mandatiert worden, um Schadensersatzansprüche und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfallgeschehen gerichtlich geltend zu machen. Er führt mehrere Besprechungen mit dem Mandanten durch, besichtigt die Unfallstelle und erörtert mit dem Privatsachverständigen die Unfallschäden sowie die Frage des merkantilen Minderwertes.
Sämtliche dieser Tätigkeiten werden mit der Verfahrensgebühr abgegolten.
Besprechungen, die der Rechtsanwalt nicht mit seinem Auftraggeber, sondern mit dem Gegner oder Dritten führt, lassen dagegen eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG entstehen (zu den Einzelheiten siehe Ziffer 2). Zu beachten ist, dass dies nur dann gilt, wenn dem Rechtsanwalt bereits ein unbedingter Prozessauftrag erteilt ist (vgl. dazu Rdn 252 ff., Rdn 53).
2. Auftrag
Rz. 199
Entscheidend ist für die Entstehung der Verfahrensgebühr, dass der Anwalt zum Prozessbevollmächtigten bestellt wurde. Dabei spielt jedoch nicht die Vollmacht, sondern der im Innenverhältnis erteilte Auftrag die maßgebliche Rolle, der schriftlich, mündlich oder auch durch konkludentes Handeln erteilt werden kann.
a) Abgrenzung zur Geschäftsgebühr
Rz. 200
Wenn im Außenverhältnis beispielsweise Prozessvollmacht erteilt wurde, im Innenverhältnis aber nur ein Auftrag zu einer Einzeltätigkeit, dann kann die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG nicht entstehen. Zu differenzieren ist insbesondere in den Fällen der bedingten Auftragserteilung: Soll der Anwalt den Gegner zunächst noch einmal außergerichtlich zur Leistung auffordern und steht der Klageauftrag unter der Bedingung, dass dies scheitert, fällt bei freiwilliger Leistung des Gegners nur die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG an.
Rz. 201
Beispiel
Anwalt A wird beauftragt, den Sachschaden von Eigentümer E in Höhe von 10.000 EUR außergerichtlich geltend zu machen. Für den Fall, dass dies erfolglos bleibt, soll er aufgrund eines entsprechend bedingten Prozessauftrags Klage erheben. Der Versicherer zahlt auf das entsprechende Schreiben freiwillig.
Die Gebühren des Anwalts berechnen sich bei einer durchschnittlichen Angelegenheit wie folgt:
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
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798,20 EUR |
2. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
818,20 EUR |
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3. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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155,46 EUR |
Gesam... |