Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
Rz. 130
Bei einigen Versicherern finden die Abrechnungsgrundsätze nur dann Anwendung, wenn der gesamte Schaden außergerichtlich reguliert wurde. Sobald also ein Teilbetrag – und seien es nur die Kosten – in ein gerichtliches Verfahren übergeht, kann der Anwalt gegenüber dem Versicherer nicht mehr nach den Abrechnungsgrundsätzen liquidieren. Dabei spielt es keine Rolle, wie das gerichtliche Verfahren ausgeht (Urteil, Vergleich, Klagerücknahme etc.), sondern nur, dass ein solchen Verfahren anhängig gemacht wird. Die Abrechnung erfolgt in diesen Fällen ausschließlich nach den gesetzlichen Gebühren des RVG.
Rz. 131
Beispiel
Nach außergerichtlicher Zahlung von 5.000 EUR (durchschnittliche Angelegenheit) auf den Gesamtschaden von 8.000 EUR erhält Anwalt A Prozessauftrag und klagt für Fahrer F den weitergehenden Schaden in Höhe von 3.000 EUR ein. Nach mündlicher Verhandlung einigen sich die Parteien, dass der gegnerische Haftpflichtversicherer noch 2.000 EUR zahlt.
Die Gebühren des A berechnen sich nach dem RVG wie folgt:
I. Außergerichtliche Tätigkeit (Wert: 8.000 EUR) |
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
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652,60 EUR |
2. Auslagen, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
672,60 EUR |
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3. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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127,79 EUR |
Gesamt |
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800,39 EUR |
II. Gerichtsverfahren (Wert: 3.000 EUR) |
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
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288,60 EUR |
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
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266,40 EUR |
3. 1,0-Einigungsgebühr, VV 1003 |
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222,00 EUR |
4. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
./. hälftige Geschäftsgebühr aus 3.000 EUR |
– 144,30 EUR |
Zwischensumme |
652,70 EUR |
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5. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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124,01 EUR |
Gesamt |
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776,71 EUR |
Rz. 132
In den Abrechnungsgrundsätzen anderer Versicherer gibt es dagegen keine Ausschlussklausel, nach der diese nur für den Fall der vollständigen außergerichtlichen Regulierung gelten. Dies dürfte dafür sprechen, sie auch dann anzuwenden, wenn nach Teilerledigung ein streitiger Restbetrag gerichtlich geltend gemacht wird. Der Anwalt kann in diesen Fällen trotz der gerichtlichen Geltendmachung gegenüber dem Versicherer nach den Abrechnungsgrundsätzen liquidieren.
Rz. 133
Beispiel
Nach außergerichtlicher Teileinigung über 5.000 EUR erhält A Prozessauftrag und klagt für F den weitergehenden Schaden in Höhe von 3.000 EUR ein. Nach mündlicher Verhandlung wird der Klage stattgegeben.
A kann gegenüber dem Versicherer folgende Gebühren abrechnen:
1. 1,8-Geschäftsgebühr (Abrechnungsgrds.) |
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aus 8.000 EUR |
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903,60 EUR |
2. Auslagen, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
923,60 EUR |
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3. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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175,48 EUR |
Gesamt |
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1.099,08 EUR |
Rz. 134
Hat der Versicherer eine Konstruktion dahingehend gewählt, dass der Anwalt dann nicht pauschal abrechnen kann, wenn über eine Teilforderung gerichtlich entschieden worden ist, ist nicht maßgeblich, ob überhaupt ein Gerichtsverfahren angestrengt wurde, sondern ob eine gerichtliche Entscheidung ergangen ist.
Rz. 135
Beispiel
F verlangt – vertreten durch A – vom gegnerischen Haftpflichtversicherer Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 EUR. Der Versicherer hält F eine Mitverursachung in Höhe von 50 % entgegen und reguliert in Höhe von 5.000 EUR. Den Restbetrag macht A klageweise geltend. Nach Beweisaufnahme vergleichen sich die Parteien über den Restanspruch und die Kosten, wobei der Versicherer weitere 2.500 EUR übernimmt.
Da keine gerichtliche Entscheidung ergangen ist, kann A seine Gebühren gegenüber dem Versicherer insgesamt nach den Abrechnungsgrundsätzen liquidieren. Endet das Verfahren dagegen z.B. mit einem Urteil, erfolgt die Abrechnung nach den gesetzlichen Gebühren des RVG.