Rz. 130

Bei einigen Versicherern finden die Abrechnungsgrundsätze nur dann Anwendung, wenn der gesamte Schaden außergerichtlich reguliert wurde.[114] Sobald also ein Teilbetrag – und seien es nur die Kosten – in ein gerichtliches Verfahren übergeht, kann der Anwalt ­gegenüber dem Versicherer nicht mehr nach den Abrechnungsgrundsätzen liquidieren. Dabei spielt es keine Rolle, wie das gerichtliche Verfahren ausgeht (Urteil, Vergleich, Klagerücknahme etc.), sondern nur, dass ein solchen Verfahren anhängig gemacht wird. Die Abrechnung erfolgt in diesen Fällen ausschließlich nach den gesetzlichen Gebühren des RVG.

 

Rz. 131

 

Beispiel

Nach außergerichtlicher Zahlung von 5.000 EUR (durchschnittliche Angelegenheit) auf den Gesamtschaden von 8.000 EUR erhält Anwalt A Prozessauftrag und klagt für Fahrer F den weitergehenden Schaden in Höhe von 3.000 EUR ein. Nach mündlicher Verhandlung einigen sich die Parteien, dass der gegnerische Haftpflichtversicherer noch 2.000 EUR zahlt.

Die Gebühren des A berechnen sich nach dem RVG wie folgt:

 
I. Außergerichtliche Tätigkeit (Wert: 8.000 EUR)
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300   652,60 EUR
2. Auslagen, VV 7002   20,00 EUR
Zwischensumme 672,60 EUR  
3. Umsatzsteuer, VV 7008   127,79 EUR
Gesamt   800,39 EUR
II. Gerichtsverfahren (Wert: 3.000 EUR)
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   288,60 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   266,40 EUR
3. 1,0-Einigungsgebühr, VV 1003   222,00 EUR
4. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
./. hälftige Geschäftsgebühr aus 3.000 EUR – 144,30 EUR
Zwischensumme 652,70 EUR  
5. Umsatzsteuer, VV 7008   124,01 EUR
Gesamt   776,71 EUR
 

Rz. 132

In den Abrechnungsgrundsätzen anderer Versicherer gibt es dagegen keine Ausschlussklausel, nach der diese nur für den Fall der vollständigen außergerichtlichen Regulierung gelten. Dies dürfte dafür sprechen, sie auch dann anzuwenden, wenn nach Teilerledigung ein streitiger Restbetrag gerichtlich geltend gemacht wird. Der Anwalt kann in diesen Fällen trotz der gerichtlichen Geltendmachung gegenüber dem Versicherer nach den Abrechnungsgrundsätzen liquidieren.

 

Rz. 133

 

Beispiel

Nach außergerichtlicher Teileinigung über 5.000 EUR erhält A Prozessauftrag und klagt für F den weitergehenden Schaden in Höhe von 3.000 EUR ein. Nach mündlicher Verhandlung wird der Klage stattgegeben.

A kann gegenüber dem Versicherer folgende Gebühren abrechnen:

 
1. 1,8-Geschäftsgebühr (Abrechnungsgrds.)    
aus 8.000 EUR   903,60 EUR
2. Auslagen, VV 7002   20,00 EUR
Zwischensumme 923,60 EUR  
3. Umsatzsteuer, VV 7008   175,48 EUR
Gesamt   1.099,08 EUR
 

Rz. 134

Hat der Versicherer eine Konstruktion dahingehend gewählt, dass der Anwalt dann nicht pauschal abrechnen kann, wenn über eine Teilforderung gerichtlich entschieden worden ist, ist nicht maßgeblich, ob überhaupt ein Gerichtsverfahren angestrengt wurde, sondern ob eine gerichtliche Entscheidung ergangen ist.

 

Rz. 135

 

Beispiel

F verlangt – vertreten durch A – vom gegnerischen Haftpflichtversicherer Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 EUR. Der Versicherer hält F eine Mitverursachung in Höhe von 50 % entgegen und reguliert in Höhe von 5.000 EUR. Den Restbetrag macht A klageweise geltend. Nach Beweisaufnahme vergleichen sich ­die Parteien über den Restanspruch und die Kosten, wobei der Versicherer weitere 2.500 EUR übernimmt.

Da keine gerichtliche Entscheidung ergangen ist, kann A seine Gebühren gegenüber dem Versicherer insgesamt nach den Abrechnungsgrundsätzen liquidieren. Endet das Verfahren dagegen z.B. mit einem Urteil, erfolgt die Abrechnung nach den gesetzlichen Gebühren des RVG.

[114] Kritisch AnwK-RVG (N. Schneider), Anhang VII Rn 28, weil dadurch dem Anwalt letztlich ein persönlicher Vorteil – höhere Gebührensätze – in Aussicht gestellt werde, wenn er den Mandanten davon abhält, wegen streitiger Restforderungen das Gericht anzurufen.

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