Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
Rz. 86
Für die Beurteilung eines Unfallgeschehens kann u.a. die amtliche Ermittlungsakte von Nutzen sein. Sie enthält – jedenfalls soweit nicht nur ein sog. "Tagebucheintrag" erstellt wurde – neben der polizeilichen Unfallaufnahme oftmals detaillierte Skizzen und Fotos, die bei der Aufklärung des genauen Unfallverlaufes helfen. Der Anwalt kann als Bevollmächtigter eines Unfallbeteiligten Einsicht verlangen und Auszüge aus diesen Akten fertigen. Ist er bereits mit der außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen beauftragt, so ist diese Tätigkeit mit der Geschäftsgebühr abgegolten. Gleichermaßen ist die Akteneinsicht durch den Prozessbevollmächtigten mit der Verfahrensgebühr abgegolten.
Rz. 87
Im Verhältnis zu Haftpflichtversicherern kann es jedoch vorkommen, dass der Anwalt ausschließlich mit der Fertigung eines Aktenauszuges beauftragt wird. Denn privatrechtliche Haftpflichtversicherer können einen solchen Auszug nicht selbst einholen, da ihnen nach Nr. 185 Abs. 5 RiStBV kein Akteneinsichtsrecht zusteht. Sie müssen also einen Anwalt mit dieser Tätigkeit beauftragen. Wollen sie sich im Vorfeld einer Schadensregulierung für die eigene Regulierungsarbeit ein Bild über den Unfallverlauf machen, ohne allerdings eine weitergehende Vertretung oder Beratung durch den Anwalt zu benötigen, werden sie diesem einen entsprechend begrenzten Auftrag erteilen.
Rz. 88
Grundlage für die Abrechnung dieser begrenzten Tätigkeit war früher das aus Vereinfachungsgründen geschlossene Abkommen zwischen dem Deutschen Anwaltverein und dem HUK-Verband über das "Honorar für Akteneinsicht und Aktenauszüge aus Unfallstrafakten für Versicherungsgesellschaften". Es sah eine pauschale Abgeltung der anwaltlichen Tätigkeit vor, damit nicht in jedem Einzelfall der Umfang bzw. Arbeitsaufwand dargelegt und überprüft werden muss. Das Abkommen wurde von allen Versicherern angewandt und zwar auch gegenüber Anwälten, die nicht Mitglied im DAV sind.
Es lautete wie folgt:
Zitat
1. |
a) |
Der Anwalt erhält für die Einsichtnahme in Unfallakten und für die Herstellung eines Auszuges zur Abgeltung seiner persönlichen Arbeitsleistung und der üblicherweise mit der Erledigung eines solchen Auftrages verbundenen Kosten (Porto und Honorar – außer Ferngespräche, die besonders berechnet werden) ein Pauschalhonorar in Höhe von 26 EUR für jede Sache. |
b) |
Er erhält außerdem für jede Seite des Aktenauszuges (auch Fotokopie) die Schreibgebühr gemäß § 27 BRAGO. |
c) |
Wird eine Ergänzung des Aktenauszuges gewünscht, die sich auf nach dem Zeitpunkt der ersten Akteneinsicht zur Akte gelangten Aktenteile oder Beiakten bezieht, so erhält der Rechtsanwalt für diese Tätigkeit ein Pauschalhonorar von 13 EUR zuzüglich der Schreibgebühr. |
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2. |
Durch diese Pauschale sind nicht abgegolten:
a) |
Gerichtskosten und sonstige außergewöhnliche Kosten des Auftraggebers, die vom Rechtsanwalt verauslagt worden sind. |
b) |
Außergewöhnliche Aufwendungen, die zu einer vom Auftraggeber gewünschten beschleunigten Ausführung des Auftrages aufgewandt worden sind. |
c) |
die auf die obige Vergütung zu zahlende Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) oder der stattdessen dem Anwalt nach § 25 Abs. 2 BRAGO zustehende Ausgleichsbetrag. |
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Rz. 89
Da bisher noch keine Anpassung dieses Abkommens an das RVG durchgeführt wurde, ist die (analoge) Anwendung umstritten. Nach zutreffender Meinung kann wie bisher abgerechnet werden, wobei die im Abkommen genannten §§ 25 Abs. 2, 27 BRAGO durch Nrn. 7000, 7008 VV RVG zu ersetzen sind. Für den ersten Aktenauszug gibt es danach 26 EUR, für eine Ergänzung 13 EUR. Zusätzlich erhält der Anwalt die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG, wobei die Zahl der Kopien für den ersten Aktenauszug und für die Ergänzung zusammenzurechnen sind. Schließlich werden dem Anwalt auch Gerichtskosten (z.B. Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 KV GKG) oder sonstige außergewöhnlichen Kosten (Mehrkosten für Eilsendungen etc.) ersetzt.
Rz. 90
Der Anwalt kann die pauschalen Gebühren zwar nur dann verlangen, wenn er ausschließlich mit der Fertigung eines Aktenauszuges beauftragt wurde. Wird er jedoch erst später vom Versicherer zum Prozessbevollmächtigten bestellt, hat dies auf die einmal entstandene Gebühr keinen Einfluss. Die Pauschalgebühren können also auch in diesem Fall weiter geltend gemacht werden und unterliegen keiner Anrechnung auf später entstehende Gebühren.