Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
Rz. 3
Führt der Anwalt im Rahmen einer Verkehrsunfallregulierung eine Beratung durch, so richtet sich sein Vergütungsanspruch nach den folgenden Grundsätzen.
1. Auftrag
Rz. 4
Zunächst muss dem Anwalt der Auftrag für eine Beratung erteilt werden. Unter einer Beratung versteht man einen mündlichen oder schriftlichen Rat oder eine Auskunft. Ein Rat ist die Empfehlung des Anwalts, wie sich der Mandant in einer bestimmten tatsächlichen Situation verhalten soll.
Rz. 5
Beispiel
Fahrer F meldet sich telefonisch bei Anwalt A. Er hat gerade ein parkendes Auto angefahren und will nun wissen, ob und wie lange er am Unfallort warten müsse oder ob er nicht einfach seine Visitenkarte auf der Windschutzscheibe befestigen könne.
Rz. 6
Schon bei Übernahme des Auftrags treffen den Anwalt bestimmte Beratungspflichten im Hinblick auf die Kostenfrage. Je nachdem, ob der Mandant nach dem geschilderten Unfallverlauf eine vollständige Regulierung durch den Unfallgegner erwarten kann oder ob ihn ein anteiliges Mitverschulden trifft, muss die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung des Mandanten geprüft werden. Bei einer solchen Fallgestaltung gehört es zu den Pflichten des Anwalts, den Mandanten darüber aufzuklären, dass er die Anwaltskosten für die Inanspruchnahme der eigenen Fahrzeugversicherung selbst zu tragen hat, solange diese sich nicht in Verzug befindet. Auch Rechtsschutzversicherer ersetzen diese Kosten unter diesen Umständen in aller Regel nicht (vgl. § 3 Rdn 142 ff.).
a) Abgrenzung zum Gutachtenauftrag
Rz. 7
Entscheidend ist bei einem solchen Rat – anders als beim Gutachten – das Ergebnis, nämlich die konkrete abschließende Verhaltensempfehlung an den Mandanten. Bei der Auskunft geht es dagegen um die Antwort auf bestimmte Fragen allgemeiner Art. Hierzu gehören beispielsweise Fragen zu einer anwendbaren Rechtsnorm oder zur Zuständigkeit einer Behörde.
Rz. 8
Der Schwerpunkt eines Gutachtens liegt dagegen in der Auseinandersetzung mit rechtlichen Problemen und der Darstellung der entsprechenden Erwägungen, die später ebenfalls in einem Rat münden können, aber nicht müssen. Kommt es dem Mandanten auf die Einzelheiten dieser rechtlichen Erwägungen an, liegt kein Auftrag zur Beratung, sondern zur Gutachtenerstellung vor. Für die Abgrenzung zwischen einem schriftlichen Rat – der auch durchaus eine Begründung enthalten kann – und einem Gutachten ist entscheidend auf die objektiv erkennbaren Wünsche des Mandanten abzustellen.
b) Abgrenzung zum Prozessauftrag
Rz. 9
Der Auftrag kann ausdrücklich oder stillschweigend erteilt werden. Entscheidend ist, dass vom Anwalt lediglich eine Beratung verlangt wird. Will der Mandant den Anwalt eigentlich als Prozessbevollmächtigten für einen Rechtsstreit beauftragen und nimmt er nach einem entsprechenden Rat von diesem Vorhaben Abstand, handelt es sich nicht um eine außergerichtliche Beratung, sondern es entsteht eine Verfahrensgebühr nach Nrn. 3100, 3101 VV RVG.
Rz. 10
Beispiel
Fahrer F wendet sich an Anwalt A, damit dieser den Unfallgegner G auf Schadensersatz verklagt. Nach Schilderung des Unfallgeschehens kommt A zu dem Ergebnis, dass F die alleinige Verantwortung für den Unfall trägt und daher eine Klage aussichtslos ist. Er rät F von der Klageerhebung ab, was dieser auch befolgt.
Für diese Tätigkeit kann A, obwohl er der Sache nach eine Beratungsleistung erbracht hat, eine Verfahrensgebühr von 0,8 nach Nrn. 3100, 3101 VV RVG berechnen. Denn sein Auftrag war auf die gerichtliche Durchsetzung eines Anspruchs gerichtet und wurde vorzeitig beendet.
c) Abgrenzung zum Vertretungsauftrag
Rz. 11
Auch von der Vertretung, für die eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG entsteht, ist die Beratung durch Auslegung des konkret erteilten Auftrags abzugrenzen. Soll der Anwalt gegenüber Dritten tätig werden, ist dies ein sicheres Indiz für einen Auftrag im Sinne von Teil 2 Abschnitt 3 VV RVG.
Rz. 12
Beispiel
Fahrer F bittet Anwalt A um Prüfung seiner Ersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall. Dies ist ein Auftrag zu einer Beratung. Soll A dagegen die Ansprüche prüfen, um sie sodann gegenüber dem Versicherer des Unfallgegners geltend zu machen, bezieht sich der Auftrag auf eine außergerichtlichen Vertretung, die eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst.
Rz. 13
Die Abgrenzung der Beratung von der Vertretung ist auch deshalb wichtig, weil es für die außergerichtliche Vertretung einen eigenen Gebührentatbestand im Vergütungsverzeichnis gibt, während der Anwalt für die Beratung auf eine Gebührenvereinbarung hinwirken soll (vgl. dazu Rdn 17). Darüber hinaus wird die Vergütung für eine Beratung unter Umständen nur bis zu einem in den ARB festgelegten Maximalbetrag vom Rechtsschutzversicherer ersetzt und muss im Übrigen vom Mandanten selbst getragen werden (vgl. § 3 Rdn 129). Zu erwähnen ist jedoch, dass seit 1.1.2021 eine Einigungsgebühr auch bei einer Beratung anfallen kann, wie Vorb. 1 VV RVG klarstellt: "Die Gebühren dieses Teils entstehen neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren oder einer Gebühr für die Beratung."
Rz. 14