Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
1. Auftrag
Rz. 252
Voraussetzung für die Entstehung einer Terminsgebühr ist stets, dass der Anwalt den Auftrag hatte, in einem gerichtlichen Verfahren tätig zu werden – unabhängig davon, ob es schon begonnen hat, in welchem Stadium es sich befindet oder überhaupt je stattfindet. Ohne Auftrag zur gerichtlichen Vertretung richten sich die anwaltlichen Gebühren nach Teil 2 des Vergütungsverzeichnisses (zur Schnittstelle Geschäftsgebühr/Terminsgebühr vgl. Rdn 53).
Rz. 253
Der Anwalt soll nach seiner Bestellung zum Prozessbevollmächtigten zu einer möglichst frühen Beendigung des Verfahrens beitragen. Deshalb kann er die Terminsgebühr auch dann schon verdienen, wenn er an einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung mitwirkt und es in der Folgezeit nicht zu einem gerichtlichen Verfahren kommt.
Rz. 254
Beispiel
Nach Klageauftrag ruft ein Mitarbeiter des Versicherers beim Anwalt an, um sich über die Forderung zu einigen. Für dieses Telefonat kann der Anwalt eine Terminsgebühr berechnen, auch wenn später kein Klageverfahren mehr geführt wird.
Rz. 255
Die Schnittstelle, bis zu der für ein mit dem Gegner geführtes Gespräch nur die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG anfällt bzw. ab der eine Terminsgebühr nach Vorb. 3 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Nr. 3104 VV RVG entsteht, wird im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Maßgeblich ist dafür der Inhalt des erteilten Auftrags: Hat der Anwalt hinsichtlich der Ansprüche, die Gegenstand der Besprechung sind, einen Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung, erhält er die Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG, wobei die Durchführung der Besprechung bei der Bestimmung der Gebühr aus dem Rahmen von 0,5 bis 2,5 berücksichtigt werden kann, jedoch keine eigenständige Gebühr auslöst. Hat er bereits Klageauftrag, erhält er – neben der Verfahrensgebühr – für die Besprechung die Terminsgebühr nach Vorb. 3 Abs. 3 Nr. 2 VV RVG in Höhe von 1,2 gemäß Nr. 3104 VV RVG.
2. Termin
a) Gerichtliche Verhandlung
Rz. 256
Die Terminsgebühr erhält der Anwalt zum einen für die Teilnahme an einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin vor Gericht, nicht jedoch für die Teilnahme an einem bloßen Verkündungstermin (Vorb. 3 Abs. 3 S. 2 VV RVG). Voraussetzung ist dabei, dass der Anwalt zumindest vertretungsbereit in der Verhandlung anwesend ist. Da die Rechtsfolgen jeweils dieselben sind, kann im Einzelfall für die Gebührenberechnung dahinstehen, ob ein Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin vorlag. Für seine bloße passive Anwesenheit ohne Vertretungsbereitschaft erhält der Anwalt keine Terminsgebühr, beispielsweise wenn er dem Gericht nur seine Mandatsniederlegung mitteilt.
Rz. 257
Es gibt im gerichtlichen Verfahren jedoch auch die Möglichkeit, eine Terminsgebühr ohne Verhandlungstermin zu verdienen (vgl. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG). Es sind dies die Fälle, in denen für das Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist und sodann im Einverständnis mit den Parteien (§ 128 Abs. 2 ZPO), nach § 495a ZPO oder nach § 307 ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden wird oder in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Der Anwalt erhält auch dann eine Terminsgebühr, wenn statt mündlicher Verhandlung das Zustandekommen eines vom Gericht vorgeschlagenen Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wird.
Rz. 258
Beispiel
Eigentümer E erhebt Klage über 10.000 EUR Brutto-Reparaturkosten aus einem Verkehrsunfall (Abrechnung auf Gutachtenbasis). Das Gericht unterbreitet den Parteien einen Vergleichsvorschlag, wonach der Gegner unter Abzug der Umsatzsteuer sowie eines Mithaftungsanteils aufgrund der Betriebsgefahr einen Betrag von 6.900 EUR zahlen solle. Die Parteien nehmen diesen Vorschlag durch Einreichen entsprechender Schriftsätze an.
Für den Anwalt des E sind folgende Gebühren aus einem Wert von 10.000 EUR entstanden:
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
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798,20 EUR |
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
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736,80 EUR |
3. 1,0-Einigungsgebühr, VV 1003 |
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614,00 EUR |
4. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
2.169,00 EUR |
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5. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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412,11 EUR |
Gesamt |
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2.581,11 EUR |
b) Sachverständigentermin
Rz. 259
Nach Vorb. 3 Abs. 3 Nr. 1 VV RVG lässt auch die Wahrnehmung eines Termins, den ein gerichtlich bestellter Sachverständiger anberaumt hat, eine Terminsgebühr in Höhe von 1,2 nach Nr. 3104 VV RVG entstehen.
Rz. 260
Der Sachverständige muss dafür bereits vom Gericht durch Beweisbeschluss bestellt sein. Die Teilnahme an einer Ortsbesichtigung mit einem Privatgutachter reicht nicht aus. Auch wenn der Sachverständige – wie es in Verkehrsunfallsachen häufig geschieht – nach § 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO terminsvorbereitend geladen ist und vor dem Termin eine Ortsbesichtigung durchführt, erhält der Anwalt für seine Teilnahme an dieser Ortsbesichtigung keine Terminsgebühr. Denn die gerichtliche Bestellung des Sachverständigen kann frühestens ...