Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
1. Verfahrensgebühr
Rz. 312
Soll der Rechtsstreit mit Prozesskostenhilfe geführt werden, ist für die Frage, welche Gebühren anfallen, das Innenverhältnis maßgeblich, also der dem Prozessbevollmächtigten erteilte Auftrag.
Rz. 313
Hat der Anwalt des Antragstellers nur den Auftrag, Prozesskostenhilfe zu beantragen, entsteht nur die Gebühr nach Nr. 3335 VV RVG. Hat er dagegen bereits Klageauftrag, so entsteht mit Einreichen der (unbedingten) Klageschrift die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, auch wenn gleichzeitig Prozesskostenhilfe beantragt wird.
Rz. 314
Hat der Anwalt Klageauftrag nur unter der Bedingung, dass sein Mandant Prozesskostenhilfe erhält, dann entsteht die 1,3-Verfahrensgebühr in dem Zeitpunkt, in dem die Prozesskostenhilfe in der beantragten Höhe bewilligt wird. Irgendeiner weiteren Erklärung des Rechtsanwalts bedarf es in diesen Fällen nicht mehr. Wird die Prozesskostenhilfe nur teilweise bewilligt, entsteht die Verfahrensgebühr nach dem Umfang der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, ebenfalls ohne dass es einer weiteren Erklärung des Rechtsanwalts bedarf. Denn der Antragsteller will – soweit sich aus seinem Vorbringen nichts Gegenteiliges ergibt – die Klage mindestens in dem Umfang durchführen, in dem ihm Prozesskostenhilfe bewilligt wird.
Rz. 315
Für den Anwalt des Antragsgegners entsteht die Gebühr nach Nr. 3335 VV RVG, wenn das Gericht von ihm zunächst nur eine Stellungnahme zum Prozesskostenhilfeantrag einfordert. Hat der Anwalt des Antragsgegners in diesen Fällen schon einen Prozessauftrag, entsteht für die Stellungnahme zwar eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG. Sie ist aber nicht erstattungsfähig, wenn die Klage nach Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrags noch vor ihrer Zustellung zurückgenommen wird. Denn die Kosten eines im Stadium des Prozesskostenhilfeverfahrens erteilten Prozessmandats sind keine notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO). Vor Zustellung der Klageschrift hat der Beklagte jedenfalls aus erstattungsrechtlicher Sicht keinen Anlass, ein unbedingtes Prozessmandat zu erteilen. Die Erstattungsforderung beschränkt sich daher auf eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3335 VV RVG aus dem Hauptsachewert sowie eine 1,3-Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG aus dem Wert der entstandenen Kosten für das Erwirken der Entscheidung nach § 269 Abs. 4 ZPO. Gemäß § 15 Abs. 3 RVG darf die Summe dieser beiden Gebühren nicht höher sein als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr.
2. Bedürftigkeit trotz Haftpflichtversicherung
Rz. 316
Die meisten Mandanten gehen verständlicherweise davon aus, dass sie bei einem obsiegenden Urteil aufgrund der Erstattungspflicht des Gegners keine Gerichts- oder Anwaltskosten zu tragen haben. Wird neben dem Fahrer bzw. Halter des unfallbeteiligten Fahrzeugs auch der gegnerische Haftpflichtversicherer in Anspruch genommen, besteht allerdings ein Kostenrisiko, auf das der Anwalt den Beklagten vor Übernahme des Mandates hinweisen muss.
Rz. 317
Beispiel
Nach einem Verkehrsunfall erwirkt der Kläger einen Mahnbescheid. Dagegen legen der gegnerische Halter und sein Versicherer – jeweils vertreten durch eigene Anwälte – Widerspruch ein. Der Anwalt des Halters nimmt am Verfahren vor dem Amtsgericht teil, obwohl der Versicherer ihm mitteilt, dass er sich gegen die Klage verteidigen und einen Anwalt mit der gemeinsamen Prozessführung beauftragen werde. Nach kostenpflichtiger Abweisung der Klage stellt der Halter Kostenfestsetzungsantrag.
Rz. 318
Die Bestellung eines eigenen Anwalts durch den Versicherungsnehmer bei Geltendmachung des Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer und des Schadensersatzanspruchs gegen den Halter/Fahrer des versicherten Fahrzeugs in einem gemeinsamen Rechtsstreit ist nach dem BGH dann nicht notwendig und die damit verursachten Kosten sind nicht erstattungsfähig, wenn kein besonderer sachlicher Grund für die Einschaltung eines eigenen Anwalts besteht.
Rz. 319
Diese Entscheidung des BGH hat auch Auswirkungen auf das Prozesskostenhilfeverfahren. Wird nämlich in einem gerichtlichen Verfahren gegen den Fahrer/Halter zugleich auch der Haftpflichtversicherer in Anspruch genommen und hat dieser von seinem Recht nach E.2.4 AKB 2008 Gebrauch gemacht bzw. wird dies künftig tun, dann ist – soweit kein besonderer Interessenkonflikt zwischen Fahrer/Halter und...