Rz. 11

Entsprechend der Telefonnutzung ist es auch denkbar, dass die private Internet- und E-Mail-Nutzung durch eine betriebliche Übung gestattet ist.[16] Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen der Arbeitnehmer schließen kann, ihm solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist dabei nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Dabei ist im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers zu ermitteln, ob der Arbeitnehmer davon ausgehen konnte, die Leistung werde nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur für eine bestimmte Zeit gewährt. Die Kenntnis und Duldung der privaten Internet- und E-Mail-Nutzung kann eine Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers im vorgenannten Sinne bedeuten. Eine Duldung in diesem Sinne liegt indes nicht vor, wenn der Arbeitgeber keinerlei Anhaltspunkte für eine private Nutzung der Arbeitsmittel durch seine Arbeitnehmer hat. Die Beweislast für das Vorliegen der betrieblichen Übung trifft den Arbeitnehmer. Er muss im Streitfall beweisen, dass der Arbeitgeber Kenntnis von einer privaten Nutzung durch den Arbeitnehmer hatte und diese über einen längeren Zeitraum geduldet hat. Er muss außerdem beweisen, dass die Vergünstigung nicht nur für eine bestimmte Zeit, sondern dauernd gewährt werden sollte.

 

Rz. 12

Das Entstehen einer betrieblichen Übung scheitert, wenn der Arbeitnehmer weder darlegen noch beweisen kann, in welchem Umfang die betriebliche Übung entstanden sein soll. Zu beachten ist, dass die Vergünstigung der privaten Internet- und E-Mail-Nutzung vom Arbeitgeber lediglich durch ein Unterlassen der Kontrolle gewährt würde. Es liegt also kein positives Tun, wie z.B. bei einer mehrere Jahre hintereinander folgenden Weihnachtsgeldzahlung vor. Aus dem schlichten Unterlassen von Kontrollmaßnahmen allein kann jedenfalls kein Verpflichtungswille angenommen werden.[17] Außerdem wird man davon ausgehen müssen, dass der Arbeitgeber nie, auch nicht bei einer ausdrücklichen Erlaubnis der privaten Nutzung, die Arbeitszeit reduzieren bzw. die Effizienz der Arbeit schmälern will. Eine übermäßige private Nutzung wird daher nie gestattet und daher auch nicht von einer betrieblichen Übung umfasst sein.

 

Rz. 13

 

Praxishinweis

Die betriebliche Übung kann nicht ohne weiteres durch die Vereinbarung einer doppelten Schriftformklausel im Arbeitsvertrag verhindert werden. Denn eine vorformulierte doppelte Schriftformklausel unterliegt der AGB-Kontrolle. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs[18] und des Bundesarbeitsgerichts[19] verstößt eine solche Klausel gegen § 307 Abs. 1 BGB, weil sie beim Vertragspartner den Eindruck erweckt, eine nachträglich wirksam vorgenommene formfreie Vertragsänderung sei formunwirksam.

Eine betriebliche Übung kann allerdings durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt verhindert werden. Da jedoch auch Freiwilligkeitsvorbehalte und Widerrufsklauseln der AGB-Kontrolle unterliegen, sollten diese entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts[20] so klar und deutlich wie möglich formuliert werden (vgl. auch § 4 Rdn 30 ff.).

 

Rz. 14

Es dürfte dem Arbeitnehmer regelmäßig schwerfallen ausreichend darzulegen und zu beweisen, dass er auf eine betriebliche Übung in einem genau umrissenen Umfang vertrauen konnte. Dies kann allenfalls hinsichtlich einer Erlaubnis der privaten Nutzung in den Arbeitspausen möglich sein.

 

Rz. 15

Mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist zu beachten, dass ein Vertrauenstatbestand zugunsten des Arbeitnehmers bei unmittelbaren materiellen Zuwendungen eher angenommen werden kann als bei der Gewährung von freien Tagen oder Stunden.[21] Bei der Prüfung der Frage, ob die private Internet- und E-Mail-Nutzung durch eine betriebliche Übung erlaubt wurde, sind deshalb hohe Hürden anzusetzen, weil der Arbeitnehmer im gewissen Maße von seiner Arbeitspflicht für die Zeit dieser privaten Nutzung freigestellt wird und damit Parallelen zu zusätzlicher Freizeit bestehen. Zur Vermeidung einer betrieblichen Übung kann deshalb nicht generell ein aktives Tun des Arbeitgebers in der Form der Schaffung von ausdrücklichen Regelungen verlangt werden. Es gilt auch hier der Grundsatz, dass allein aus einem Schweigen im Rechtsverkehr keine Zustimmung folgt. Anderenfalls würde eine unzulässige Beweislastumkehr vorgenommen. An das Entstehen einer betrieblichen Übung im Zusammenhang mit der Internet- und E-Mail-Nutzung sind deshalb hohe Anforderungen zu stellen.

 

Rz. 16

 

Praxishinweis

Arbeitgeber sollten sich keinesfalls darauf verlassen, dass eine "Nichtregelung" keine Probleme hervorruft. Es ist dringend zu empfehlen, eine ausdrückliche Regelung über die Nutzung von Internet und E-Mail zu treffen. Gle...

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