Rz. 154
Ruft der Arbeitnehmer über die Arbeitgebersysteme im Internet Seiten mit strafbaren Inhalten auf, lädt diese herunter oder nutzt sie auf andere Art und Weise, kann neben den möglichen arbeitsrechtlichen Sanktionen, insbesondere dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung (siehe hierzu Rdn 129 ff.), eine Strafanzeige erstattet werden. Liegen die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung vor, kann der Arbeitnehmer möglicherweise auch zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages bewegt werden. Allerdings kommt bei massivem Druck, zu dem auch die Drohung mit der Erstattung einer Strafanzeige zählt, eine Anfechtung seitens des Arbeitnehmers nach § 123 BGB in Betracht. Versetzt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in eine Drucksituation, in dem er bspw. mit dem Ausspruch einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung, einer Strafanzeige bei den Ermittlungsbehörden oder einer hohen Schadensersatzforderung droht, bedeutet dies jedoch nicht automatisch eine widerrechtliche Drohung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Frage der Widerrechtlichkeit, insbesondere bei der Androhung einer Kündigung zur Erwirkung des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages, gelten folgende Grundsätze: Die Androhung einer fristlosen Kündigung ist nicht widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Dies bedeutet nicht, dass im Rahmen der Anfechtung ein fiktiver Kündigungsschutzprozess nachvollzogen werden müsste. Es wird also nicht geprüft, ob die angedrohte fristlose Kündigung sich in einem sozusagen nachgeholten Kündigungsschutzprozess als insgesamt gerechtfertigt erweisen würde. Maßgeblich ist allerdings nicht der Kenntnisstand, den der Arbeitgeber subjektiv bei Androhung der Kündigung besaß. Vielmehr wird auf einen verständigen Arbeitgeber und auf dessen fiktive Ermittlungen abgestellt werden, die er zur Aufklärung des Sachverhalts angestellt hätte. Entscheidend für die Bewertung, ob ein verständiger Arbeitgeber die Kündigung angedroht hätte, ist damit der objektiv mögliche und somit hypothetische Wissensstand des Arbeitgebers. Diese nach der Rechtsprechung für die Androhung einer fristlosen Kündigung geltenden Grundsätze gelten auch im Hinblick auf die Androhung einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber zur Herbeiführung eines Aufhebungsvertrages.
Rz. 155
Praxishinweis
Die Verweigerung einer Bedenkzeit oder eines Widerrufsrechts und die damit verbundene Entstehung eines Zeitdrucks führen ebenso wenig zu einer Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages wie die Tatsache, dass dem Arbeitnehmer nicht mitgeteilt worden ist, dass es um ein Aufhebungsgespräch gehe. Denn der Arbeitnehmer kann sich dem Abschluss durch ein einfaches "Nein" jederzeit entziehen. Dennoch ist in der Praxis zu empfehlen, es nicht auf einen späteren Auslegungsstreit ankommen zu lassen, sondern bei Abschluss des Aufhebungsvertrages die notwendige Sorgfalt trotz Zeitdrucks an den Tag zu legen und für klare und eindeutige Formulierungen zu sorgen.