Rz. 88
Ist die private Nutzung des Internets bzw. der private E-Mail-Verkehr ausdrücklich verboten, handelt es sich bei jedem Verstoß um eine vertragliche Pflichtverletzung, die abgemahnt werden kann. Trotz des ausdrücklichen Verbots der Internetnutzung kann bei einem Missbrauch grundsätzlich nicht unmittelbar eine Kündigung ausgesprochen werden; vielmehr ist zunächst der Ausspruch einer Abmahnung erforderlich. Bei einer unzulässigen Internetnutzung handelt es sich um ein steuerbares Verhalten, das zukünftig geändert werden kann. Gerade für diese Fälle sieht die Rechtsprechung die Notwendigkeit einer Abmahnung vor. Ausnahmen bestehen nur dann, wenn die Abmahnung objektiv kein geeignetes Mittel ist, das gestörte Vertrauen wieder herzustellen. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer abschließend erklärt, auch künftig sein Verhalten nicht ändern zu wollen. Das Bundesarbeitsgericht hat sich in seinen Grundsatzentscheidungen mit der Frage der Erforderlichkeit einer vorherigen Abmahnung ausführlich befasst. Die Abmahnung ist danach nur dann entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder es sich um eine besonders schwere Pflichtverletzung handelt. In der Entscheidung vom 12.1.2006 installierte der Arbeitnehmer eine unerlaubte Anonymisierungssoftware. Das BAG sah hier von dem Erfordernis einer vorherigen Abmahnung ausdrücklich wegen der Schwere des Verhaltens ab. In dem Urteil vom 7.7.2005 hat das BAG klargestellt, dass zahlreiche Fallgestaltungen denkbar sind, in denen es einer Abmahnung nicht bedarf. Dies sei bspw. bei einer extrem ausschweifenden Nutzung des Internets, auch bei erlaubter privater Nutzung, während der Arbeitszeit der Fall. Ebenso bei dem Herunterladen umfangreicher pornografischer Dateien. Entbehrlich ist der Ausspruch einer Abmahnung auch dann, wenn schwere schuldhafte Pflichtverletzungen vorliegen, bspw. der Besuch strafbarer Seiten (siehe unten Rdn 97). Das LAG Köln hat in einer neueren Entscheidung eine Abmahnung auch in dem Fall als entbehrlich angesehen, in dem der Arbeitnehmer bei erst kurzer Betriebszugehörigkeit in einem Zeitraum von wenigen Monaten mehrere volle Arbeitstage mit der Privatnutzung des Internets verbracht hat. Dabei hat eine Auswertung der aufgerufenen URLs ergeben, dass die Erbringung der Arbeitsleistung für weite Zeiträume gar nicht möglich gewesen sein kann. In einem solchen Fall der schon fast notorischen Arbeitsverweigerung durfte der Arbeitnehmer von einer Billigung nicht ausgehen und musste die Bedrohung seines Arbeitsplatzes von sich aus erkennen.