Rz. 127
Wird festgestellt, dass ein Arbeitnehmer Internetseiten mit pornografischen Inhalten aufgerufen hat, wird allein aus diesem Grunde die Sanktion der fristlosen Kündigung erwogen. Es wurde bereits an verschiedener Stelle darauf hingewiesen (siehe auch Rdn 96), dass unterschiedliche Moralvorstellungen für sich genommenen keinen Trennungsgrund darstellen. Ist die Privatnutzung grundsätzlich erlaubt, umfasst diese Erlaubnis auch die gelegentliche Betrachtung von (nicht strafbaren) pornografischen Internetseiten. Aus Sicht der Arbeitsgerichte ist es widersprüchlich, einerseits keine Vorgaben für die Privatnutzung zu machen, sich aber andererseits im Falle der privaten Nutzung zum Sittenwächter aufzurufen; hierzu ist der Arbeitgeber nicht berufen. Dies wird man auch dann annehmen müssen, wenn der Arbeitgeber die Internetnutzung auch zu privaten Zwecken erlaubt, pornografische Seiten aber ausdrücklich ausgenommen hat. In diesem Fall wurde zwar der Besuch solcher Seiten verboten, die Pflichtverletzung allein rechtfertigt aber noch nicht den unmittelbaren Ausspruch der schwerwiegenden Sanktion einer außerordentlichen Kündigung. In diesen Fällen steht immerhin die arbeitsvertragliche Pflichtverletzung fest. Ist die Privatnutzung hingegen grundsätzlich erlaubt, ist der Besuch pornografischer Seiten für sich genommen noch nicht einmal eine solche Pflichtverletzung, was vielfach übersehen wird. In diesem Zusammenhang ist allerdings einschränkend zu beachten, dass nach dem Bundesarbeitsgericht der Arbeitgeber durch das Aufrufen pornografischer Seiten einen erheblichen Imageverlust erleiden kann (dazu siehe auch Rdn 130). Der Aufruf von Internetseiten mit pornografischen Inhalten birgt in sich die Gefahr der Rückverfolgung zum Nutzer und kann damit den Eindruck erwecken, bei diesem Arbeitgeber befasse man sich anstatt mit den Dienstaufgaben bspw. mit Pornografie. Dadurch kann es nach der Rechtsprechung zu einer Rufschädigung des Arbeitgebers kommen. Dasselbe Gericht hat einen fristlosen Kündigungsgrund an sich bei einer Nutzung des Internets in einem Zeitraum von zehn Monaten zu privaten Zwecken für insgesamt sieben Stunden und 28 Minuten bejaht. Der Gesichtspunkt der Rufschädigung wird allerdings dadurch relativiert, dass diese Gefährdung eher als abstrakt einzustufen ist, da eine Rückverfolgung im Internet bis zum Nutzer zwar technisch möglich sein mag, aber angesichts des gigantischen Umfangs der Nutzung des Internets eher theoretischer Art erscheint.
Rz. 128
Mögliche divergierende Moralvorstellungen auf Arbeitgeberseite stellen nach Ansicht der Rechtsprechung für sich allein folglich noch keine Grundlage für arbeitsrechtliche Sanktionen dar. Der Besuch von pornografischen Seiten mag zwar als anstößig angesehen werden, einen wichtigen Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung liefert er jedoch nicht automatisch. In solchen Fällen kann bei lediglich üblichem Surfverhalten im Internet von ca. zehn bis 20 Minuten am Tag grundsätzlich nur abgemahnt werden und dies auch nur dann, wenn die private Nutzung nicht gänzlich erlaubt wurde. Anders stellt sich hingegen die Beurteilung der Rechtslage dar, wenn sich der Arbeitnehmer bei seinem Internetverhalten nicht mehr im üblichen Maß bewegt, sondern ihm die exzessive Nutzung nachgewiesen werden kann. In diesen Fällen geht es aber nicht um die Sanktion wegen des Besuches pornografischer Seiten, sondern vielmehr wird die unterlassene Arbeitsleistung sanktioniert. Wird an einem Arbeitstag mehr als eine Stunde für privates Internetsurfen verwendet und handelt es sich dabei nicht nur um einen einmaligen Vorfall, kann dies einen wichtigen Grund darstellen. Allerdings muss man auch hier deutlich darauf hinweisen, dass allgemein gültige Aussagen nicht gemacht werden können. Maßgeblich ist das konkrete Verhalten im Einzelfall. Das LAG Hessen bestätigte die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung in einem Fall, in welchem ein Arbeitnehmer während eines Zeitraums von sechs Tagen aus privater Veranlassung und entgegen eines ausdrücklichen Verbots 1.397 Internetseiten aufgerufen hatte und von denen 65 % pornografische Inhalte aufwiesen.