Rz. 93
Hat der Arbeitgeber die Internet-/E-Mail-Nutzung während der Arbeitszeit erlaubt, besteht zunächst kein Anlass für Sanktionen. Denn durch die erlaubte Nutzung hat der Arbeitgeber grundsätzlich dokumentiert, mit der Nutzung während der Arbeitszeit einverstanden zu sein. Lediglich für den Fall, dass der Arbeitnehmer die Grenzen der erlaubten Privatnutzung überschreitet, gilt anderes. Gibt es zur erlaubten Privatnutzung keine klaren Regelungen des Arbeitgebers, ist die Abgrenzung im Einzelfall häufig schwierig. Vorgaben sind deshalb unbedingt empfehlenswert. Dies kann entweder durch einen vorgegebenen zeitlichen Rahmen geschehen, durch das Verbot des Besuchs bestimmter Seiten (eBay, pornographische Seiten, private E-Mail-Dienste etc.) oder aber durch das Gebot, ausschließlich während der Pausen privat zu surfen. Der Arbeitgeber ist gehalten, durch klare betriebliche Regelungen alle Arbeitnehmer (nachweisbar) darauf hinzuweisen, in welchem Umfang die private Nutzung erlaubt ist. Ist nämlich für den Arbeitnehmer unklar, dass die private Nutzung überhaupt ausgeschlossen ist oder aber in welchem Umfang sie unzulässig sein soll, wird auch die Wirksamkeit einer Abmahnung fraglich sein. Gegebenenfalls kann dann nur eine klarstellende Ermahnung (als Vorstufe zur Abmahnung) in Betracht kommen.
Rz. 94
Eine Pflichtverletzung liegt jedenfalls vor, wenn das Internet während der Arbeitszeit exzessiv genutzt wird, bspw. durch nachgewiesenes mehrstündiges privates Surfen über einen langen Zeitraum hinweg. Kein Arbeitnehmer kann davon ausgehen, dass die prinzipiell erlaubte private Nutzung die vollständige oder teilweise Einstellung der vertraglichen geschuldeten Arbeit rechtfertigt. In solchen krassen Missbrauchsfällen bedarf es daher regelmäßig auch keiner vorherigen Abmahnung mehr, sondern die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung werden regelmäßig gerechtfertigt sein (siehe unten Rdn 123 ff.). Die Beweislast in diesen Fällen liegt allerdings in vollem Umfang beim Arbeitgeber. In der ersten Internetentscheidung des BAG vom 7.7.2005 bejahte der 2. Senat die ausschweifende Nutzung schon in zwei bewiesenen Fällen von einmal 27 Minuten und einmal 74 Minuten (bereits abzüglich der Pausen). Es bedarf stets einer Beurteilung im konkreten Einzelfall, um die Schwere der Verstöße zu beurteilen. In dieser Einzelfallbeurteilung ist dann zu berücksichtigen, in welchem Umfange die Arbeitsverpflichtung tatsächlich vernachlässigt wurde. Zu prüfen ist auch, zu welchen Zeiten der Arbeitnehmer Pause gemacht hat und wie deutlich die Internetnutzung verboten bzw. eingeschränkt wurde.