Rz. 49
Gewährt der Arbeitgeber den Arbeitnehmern das Recht, das E-Mail-Programm auch privat zu nutzen, stellt sich ebenfalls die Frage der richtigen Ermächtigungsgrundlage für die Kontrolle durch den Arbeitgeber. Nach der früher herrschenden Ansicht in der Literatur wird der Arbeitgeber durch die Erlaubnis privater Nutzung zum Diensteanbieter i.S.d. § 88 TKG a.F. und habe daher das Fernmeldegeheimnis zu wahren. Das TKG erfasste nach dieser Ansicht nicht nur die klassischen Telekommunikationsdienstleistungen von Telekommunikationsanlagen, sondern auch betriebliche Telekommunikationsanlagen. Soweit der Arbeitgeber die private Nutzung untersagt habe, sollte kein Angebot von Telekommunikation vorliegen. Im Rahmen der privaten Nutzungseinräumung der betrieblichen Kommunikationssysteme trete der Beschäftigte dem Arbeitgeber aber als "Dritter" im Sinne des § 3 Nr. 10 TKG gegenüber als derjenige, der nicht zum Diensteanbieter zähle. Hinsichtlich privater E-Mails sei der Angestellte "Dritter", bei geschäftlichen E-Mails jedoch nicht. Diese grundsätzliche Frage ist auch nach Geltung des neuen Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) nicht abschließend geklärt und weiterhin von erheblicher praktischer Relevanz. Denn durch die Anwendung des Fernmeldegeheimnisses wird das Kontrollrecht stark eingeschränkt. Insbesondere ist es dem Dienstanbieter nach § 3 Abs. 3 S. 1 TTDSG (früher: 88 Abs. 3 TKG a.F.) untersagt, "sich oder anderen über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes ihrer technischen Systeme erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen". Soweit beim betrieblichen E-Mail-Austausch Verbindungs- und Inhaltsdaten anfallen, dürfen diese grundsätzlich nur in den im TKG geregelten Fällen erhoben und ansonsten nicht überwacht werden. Zudem läuft der Arbeitgeber Gefahr, eine Straftat nach §§ 202a,206 StGB zu begehen. Im Gegensatz zum BDSG enthält das TKG keinen Regelungsvorbehalt bezüglich Betriebsvereinbarungen oder genereller Kontrollbefugnisse.
Die erste wesentliche Entscheidung zu der Frage der Anwendbarkeit des jetzt in § 3 TTDSG geregelten Fernmeldegeheimnisses (früher: § 88 TKG a.F.) erfolgte durch den VGH Kassel. Nach seiner Ansicht unterlägen E-Mails zumindest dann nicht mehr dem Fernmeldegeheimnis, wenn sie von dem Beschäftigten mit Erlaubnis des Arbeitgebers im Posteingang oder -ausgang belassen oder in anderen auf lokalen Rechnern oder zentral gesicherten Verzeichnissen des Systems abgespeichert worden seien. Im Anschluss folgten Entscheidungen des LAG Niedersachsen und LAG Berlin-Brandenburg, die übereinstimmend – jedoch ohne nähere Begründung – feststellten, dass der Arbeitgeber alleine durch die Gestattung der Privatnutzung nicht zum Dienstanbieter werde. Dem haben sich weitere Gerichte und Teile der Literatur angeschlossen.
Praxistipp
Es lässt sich gut argumentieren, dass § 3 TTDSG jedenfalls dann keine Anwendung findet, wenn der Arbeitnehmer die E-Mails bereits gesichtet hat und sie im Posteingang belässt oder in einem anderen Verzeichnis gespeichert hat. Ungelesene E-Mails sollten dagegen nur in besonderen Ausnahmefällen kontrolliert werden, z.B. dann, wenn der Zugriff aufgrund einer unvorhergesehenen Abwesenheit des Mitarbeiters dringend erforderlich ist. Insgesamt sollte jeder Arbeitgeber bis zu einer höchstrichterlichen Klärung dieser Frage jedoch äußerst vorsichtig vorgehen und die Zulässigkeit in jedem Einzelfall gründlich überprüfen.
Rz. 50
Geht man – wie auch die wohl mittlerweile herrschende Meinung – vor diesem Hintergrund davon aus, dass das § 3 TTDSG nicht zur Anwendung gelangt, ist die Kontrolle von Verkehrsdaten und E-Mails nach § 26 BDSG zu beurteilen. Auch hierbei gilt für die präventive Kontrolle bzw. für die Kontrolle zur Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die keine Straftat darstellt, § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG und für die repressive Kontrolle zur Aufdeckung einer Straftat aufgrund eines konkreten Verdachts § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG. Im Rahmen der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers bei einer Gewährung der privaten Nutzung eine wesentliche Rolle zukommt. Damit die Kontrollmaßnahme zulässig ist, muss der Arbeitgeber also ein berechtigtes Interesse an der Kontrolle der Log-Files bzw. des Inhaltes vorweisen können.
Die Kontrolle von privaten E-Mails durch den Arbeitgeber stellt regelmäßig einen rechtswidrigen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Arbeitnehmers dar. Eine Inhaltskontrolle der privaten Nachrichten ist grundsätzlich unzulässig. Sie kommt, ähnlich wie die Inhaltskontrolle privater Telefongespräche (vgl. § 4 Rdn 4951), allerdings in Betracht, wenn ein schwerer Verdacht, z.B. auf Industriespionage oder Ähnliches, besteht und eine anderweitige Klärung des Sachverhalts nicht möglich ist.
Rz. 51
Soweit von der Kontrolle nur die äußeren Verbindungs...