Dr. Wolfgang Kürschner, Karl-Hermann Zoll
Rz. 4
Der Begriff der Haftpflicht ist in keinem Gesetz definiert. Es gibt indessen eine Fülle von Normen, namentlich im BGB, in denen von Haftung die Rede ist. Zunächst mag ein kleiner rechtshistorischer Rückblick dem Verständnis des Wortes dienen: Die Begriffe "haften" und "verhaften" gehen auf den gleichen Ursprung zurück. Wer eine Schuld nicht bezahlen konnte, durfte vom Gläubiger verhaftet, also in seiner Freiheit eingeschränkt und solange in Haft gehalten werden ("Schuldhaft"), bis er oder seine Familie die Schuld tilgte. Der Schuldner blieb dem Gläubiger bis zur Erfüllung verhaftet, wobei zwischen deliktischem und vertraglichem Schuldgrund kein Unterschied bestand. In späterer Zeit entwickelte sich daraus die Ausdrucksweise, dass jemand verhaftet sei, etwas zu tun, was ebenso viel bedeutete, wie verpflichtet zu sein. Im bürgerlichen Recht bedeutet Haftung vielfach Einstehenmüssen für eine aus einem Schuldverhältnis (im weiteren Sinne) herrührende Schuld (z.B. auf Schadensersatz). In diesem Sinne findet auch im Unfallhaftungsrecht der Begriff in erster Linie Anwendung: Es geht um das Einstehenmüssen für eine, oft aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis (vgl. dazu Rdn 7 ff.) begründete Schuld.
Rz. 5
Von Haftung ist auch die Rede im Zusammenhang mit der Verantwortung für das Verhalten anderer:
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zur Haftung des Aufsichtspflichtigen vgl. § 2 Rdn 713 ff.; |
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für Erfüllungsgehilfen und für Verrichtungsgehilfen § 2 Rdn 641 ff., |
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zur Staatshaftung § 2 Rdn 836–1054. |
In einem anderen Sinne geht es um die Haftung des Vermögens (oder einzelner Teile, wie z.B. eines belasteten Grundstücks oder bei der dinglich beschränkten Haftung im Binnenschifffahrtsrecht; vgl. zu Letzterem § 6 Rdn 32 ff.) des Schuldners oder eines Dritten gegenüber dem Zugriff des Gläubigers.
Rz. 6
Das Haftpflichtgesetz (HPflG), das die gesetzliche Grundlage der Haftung des Betreibers einer Schienenbahn (z.B. Eisenbahn) sowie des Inhabers einer Energieanlage, eines Bergwerkes etc. darstellt und das auf das Reichshaftpflichtgesetz zurückgeht, regelt lediglich einen kleinen Ausschnitt der das Unfallhaftpflichtrecht betreffenden Fragen. Von Haftpflicht ist auch in § 17 Abs. 1 StVG die Rede. Geregelt wird hier die Ausgleichspflicht eines Halters gegenüber einem anderen Halter eines Kfz (vgl. dazu § 4 Rdn 227), wenn ein Unfallschaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht wurde. § 2 des UmweltHG regelt in Abs. 1 die Haftung des Inhabers einer noch nicht fertiggestellten Anlage und in Abs. 2 des Inhabers einer nicht mehr betriebenen Anlage (vgl. § 7 Rdn 1). Hier steht Haftung für die Schadensersatzverpflichtung, wie sie in § 1 UmweltHG festgelegt ist. In § 18 UmweltHG wird bestimmt, dass eine Haftung aufgrund anderer Vorschriften unberührt bleibt. Hier ist die Frage der Anspruchskonkurrenz angesprochen (vgl. dazu auch § 12 Rdn 34 ff.).
Rz. 7
Unfallhaftpflichtrecht im System der Schuldverhältnisse: Das Recht der Schuldverhältnisse bezieht sich sowohl auf vertragliche als auch auf gesetzliche Schuldverhältnisse. Die Systematik des Rechts der Schuldverhältnisse, wie sie sich aus dem Zweiten Buch des BGB ergibt, beruht auf dem Grundsatz der Ausklammerung. Im allgemeinen Teil des Schuldrechts des BGB findet sich zunächst ein Abschnitt mit der Überschrift "Inhalt der Schuldverhältnisse" (§§ 241 ff. BGB), in welchem nicht nach der Art der Entstehung des Schuldverhältnisses differenziert wird. Abschnitt 2 enthält das ins BGB eingefügte AGB-Recht. Als dritter Abschnitt folgen die "Schuldverhältnisse aus Verträgen" (§§ 311 ff. BGB), denen aber nicht ein Abschnitt "Gesetzliche Schuldverhältnisse" gegenübergestellt ist. Vielmehr folgen im dritten bis siebenten Abschnitt Regelungen einzelner Rechtsfragen, die für alle Schuldverhältnisse Gültigkeit haben. Aus dieser Anwendbarkeit der allgemeinen Regelungen des Rechts der Schuldverhältnisse sowohl auf vertragliche als auch auf gesetzliche Schuldverhältnisse ergibt sich, dass das Schicksal des einmal zur Entstehung gelangten Schuldverhältnisses sich grundsätzlich nach den gleichen Regeln richtet, unabhängig davon ob es sich um ein vertragliches oder gesetzliches Schuldverhältnis handelt.
Rz. 8
Die Abgrenzung zwischen vertraglichem und gesetzlichem Schuldverhältnis liegt daher ausschließlich im Entstehungstatbestand. Ein vertragliches Schuldverhältnis wird durch übereinstimmende Willenserklärungen begründet, während das gesetzliche Schuldverhältnis unmittelbar kraft Gesetzes aufgrund der Erfüllung bestimmter Tatbestandsvoraussetzungen zur Entstehung gelangt. Gesetzliche Schuldverhältnisse des BGB sind beispielsweise die der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB), des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses (§§ 986 ff. BGB) und die für das Unfallhaftpflichtrecht besonders wichtigen unerlaubten Handlungen (§§ 823 ff. BGB; dazu ausführlich § 2). Eine Schadensersatzpflicht setzt zwingend das Bestehen und Verwirklichen einer anspruchsbegründenden Norm voraus. Hat der Gesetzgeber solche Normen nicht geschaffen, wie beispi...