Rz. 5
§ 828 BGB, der sich mit der allgemeinen Deliktsfähigkeit von Kindern befasst hatte, bildet eine spezielle Regelung für die Deliktsfähigkeit von Kindern bei Unfällen im Straßenverkehr.
Rz. 6
§ 828 Abs. 2 S. 1 BGB setzt die Deliktsfähigkeit für Schäden, die einem anderen bei Unfällen im motorisierten Straßen- oder Bahnverkehr zugefügt werden, auf das vollendete zehnte Lebensjahr herauf. Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr werden damit einerseits von einer Haftung für von ihnen verursachte Unfallschäden befreit. Sie müssen sich andererseits ihren eigenen Ansprüchen, gleichviel ob sie aus allgemeinem Deliktsrecht hergeleitet werden oder aus den Gefährdungstatbeständen des StVG oder des HPflG, ein Mitverschulden bei der Schadensverursachung nicht entgegenhalten lassen. Denn § 828 BGB ist auch für die Frage des Mitverschuldens nach § 254 BGB maßgeblich, der über die entsprechenden Verweisungsnormen (§ 9 StVG, § 4 HPflG) auch für die sondergesetzlichen Gefährdungshaftungen gilt.
Die Begrenzung der Haftung auf das vollendete zehnte Lebensjahr gilt demnach nur im Zusammenhang mit Unfällen im motorisierten Straßenverkehr. Die Grenze wird durch den BGH grundsätzlich für Unfälle im "ruhenden Verkehr" gezogen. Dort kommt laut BGH das höhere Risiko des motorisierten Straßenverkehrs nicht zum Tragen. In diesen Fällen bleibt es bei der Haftungsgrenze von sieben Jahren. Das Gleiche gilt bei vorsätzlichen Handlungen von Kindern, wenn diese also z.B. Steine von einer Brücke werfen oder Fahrzeuge zerkratzen. Allerdings ist der Grundsatz der Haftung von Kindern im ruhenden Straßenverkehr im Zusammenhang mit parkenden Pkw zwischenzeitlich aufgeweicht worden.
Hinweis
Kommt es zu einem Unfall mit einem Kind, das das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, muss die Kfz-Haftpflichtversicherung Schadensersatzansprüche des Kindes, die über seine Eltern gestellt werden, befriedigen. Dies gilt auch dann, wenn das Kind den Unfall alleine verschuldet hat, der Kraftfahrer den Zusammenstoß also nicht vermeiden konnte, weil das Kind z.B. vollkommen unerwartet hinter einer Hecke hervor auf die Straße gelaufen war.
Zu prüfen ist allerdings, inwieweit der Halter des in den Unfall verwickelten Kraftfahrzeugs seinerseits Ansprüche gegen das Kind selbst oder dessen Eltern stellen kann.
Folgende Anspruchsgrundlagen sind denkbar:
Rz. 7
Ersatzpflicht aus Billigkeitsgründen (§ 829 BGB)
Sind die finanziellen Verhältnisse des schädigenden Kindes weitaus besser als diejenigen des geschädigten Kfz-Halters, kommt eine Ersatzpflicht aus Billigkeitsgründen in Betracht. Der geschädigte Kfz-Halter soll so gestellt werden wie vor dem Unfall, wenn hierdurch die Lebenshaltung des schädigenden Kindes nicht beeinträchtigt wird. Die Tatsache, dass hinter dem schädigenden Kind z.B. eine private Haftpflichtversicherung steht, soll allerdings die Ersatzpflicht aus Billigkeitsgründen nicht hervorrufen.
Rz. 8
Ersatzpflicht aus dem Grundsatz der Aufsichtspflichtverletzung heraus
Wer sein Kind unbedarft in den Straßenverkehr lässt, ohne Vorkehrungen dafür zu treffen, dass das Kind auch in der Lage ist, die Gefahren des Straßenverkehrs entsprechend zu werten, soll für Schäden, die das Kind anrichtet, haften. Gerade dann, wenn das Kind viel befahrene Straßen z.B. auf dem Schulweg benutzen muss, sollte dies Anlass genug sein, das Kind auf dem Weg zu begleiten und es eindringlich darauf zu verweisen, dass vorhandene Radwege sowie mit Lichtzeichenanlagen versehene Übergänge zu benutzen sind. Unterlassen Eltern solche Unterweisungen, sollen sie für Schäden haften, die hierdurch entstehen. Bisher ist die Rechtsprechung jedoch sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, einen Anspruch wegen der Verletzung der Aufsichtspflicht gegen die Erziehungsberechtigten zuzusprechen. Diese Haltung wird oftmals damit begründet, dass die Aufsichtspflicht dazu dient, Kinder zu selbstständigen und verantwortungsbewussten Persönlichkeiten heranzuziehen. Die Reichweite der Aufsichtspflicht bemisst sich deshalb nach dem jeweils zu beaufsichtigenden Kind. Es bleibt abzuwarten, ob die kinderpsychologischen Erkenntnisse, die dazu geführt haben, das Haftungsalter auf das vollendete zehnte Lebensjahr festzusetzen, auch die Rechtsprechung zur beherzteren Anwendung der Grundsätze der Aufsichtspflichtverletzung veranlassen. Einige Urteile zeigen immerhin positive Ansätze in dieser Richtung auf.
Die Trägerin eines Kindergartens haftet für die Aufsichtspflichtverletzung ihrer Bediensteten, wenn Kinder mit Steinen ein Auto beschädigen.
Rz. 9
Verzicht auf die Prüfung der Berechtigung des Vorwurfs der Aufsichtspflichtverletzung
Einige Versicherungsgesellschaften bieten im Zusammenhang mit dem Abschluss einer privaten Haftpflichtversicherung an, auf die Prüfung der Berechtigung des Einwands der Aufsichtspflicht zu verzichten und Schadensersatzansprüche zu begleichen. Schon unter diesem Aspekt empfiehlt es sich, den entsprechenden Einwand gegenüber den Eltern und e...