Rz. 32

Rechtsakte der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen werden gem. Art. 81 Abs. 2 im so genannten ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen (dazu Art. 289 Abs. 1, 294 AEUV), nämlich auf Beschl. v. Europäischen Parlament und dem Rat mit qualifizierter Mehrheit.

 

Rz. 33

Dieses Verfahren gilt jedoch nicht für Maßnahmen zum Familienrecht mit grenzüberschreitendem Bezug (vgl. Art. 81 Abs. 3);[20] über diese entscheidet der Rat vielmehr allein und einstimmig (das Parlament wird nur angehört). Der Rat kann die Maßnahmen jedoch durch einen Ausnahmebeschluss dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren unterstellen mit der Rechtsfolge, dass keine einstimmige Entscheidung erforderlich ist, sondern nur die Mehrheit der Stimmen.

 

Rz. 34

Sofern der Rat diesen Weg gehen will, muss er aber zuvor den nationalen Parlamenten den Vorschlag übermitteln. Für den Fall, dass auch nur ein nationales Parlament den Vorschlag ablehnt, ist der Übergang in das ordentliche Gesetzgebungsverfahren gescheitert (und über die Maßnahme kann dann nur einstimmig beschlossen werden). Am Veto eines einzigen Mitgliedstaates können also derartige Maßnahmen scheitern.

Wegen der Größe der EU und der Vielzahl der nationalen Parlamente kann kaum davon ausgegangen werden, dass dieses Verfahren einmal erfolgreich durchlaufen wird.

[20] Dazu Caliess/Ruffert/Rossi, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV Rn 34; Einzelheiten bei Frenz, JR 2011, 277, 279.

1. Besonderheiten für Deutschland

 

Rz. 35

Eine Besonderheit für Deutschland ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30.6.2009:[21] Der deutsche Vertreter im Rat darf dem Übergang in das ordentliche Verfahren überhaupt nur dann zustimmen, wenn die innerstaatliche Zustimmung vorliegt.[22]

[21] EuR-Bei 2010, 89 = BeckRS 2009, 35262.
[22] Vgl. dazu Art. 23 Abs. 1 GG; die Umsetzung der Vorgabe erfolgte mit dem Integrationsverantwortungsgesetz, BGBl 2009 I 3022.

2. Sonderstatus von Dänemark, Großbritannien und Irland

a) Dänemark

 

Rz. 36

Dänemark beteiligt sich generell nicht an den Maßnahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen. Der Vertrag von Lissabon bietet aber Dänemark die Möglichkeit, individuell für die Beteiligung an einzelnen Rechtsverordnungen zu optieren.[23] Bislang ist das jedoch noch nicht geschehen.

[23] Protokoll Nr. 22 zum Vertrag von Lissabon zur Position von Dänemark, vgl. Art. 7 des Protokolls i.V.m. dem Anhang zu diesem Protokoll, ABl EU 2008, C 115/299.

b) Großbritannien und Irland

 

Rz. 37

Beide Länder lehnen zwar die Beteiligung an der justiziellen Zusammenarbeit nicht generell ab, sie können aber jeweils von Fall zu Fall entscheiden, ob sie sich an den Rechtsverordnungen beteiligen möchten.[24]

[24] Protokoll Nr. 21 zum Vertrag von Lissabon zur Position von Irland und dem vereinigten Königreich, ABl EU 2008, C 115/295; bei der ErbVO haben sich zwar sowohl das Vereinigte Königreich als auch Irland an der Planung und Ausarbeitung beteiligt, aber ein Beitritt ist schließlich nicht erfolgt.

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