Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
Rz. 590
"Klassisch" wird die Problematik der thesaurierten Gewinne bei Personen- und Kapitalgesellschaften diskutiert und nicht bei Einzelunternehmen.
Hierbei wird fälschlicherweise unkritisch unterhaltsrechtlich mit einer Fiktion gearbeitet, dass die Gewinne uneingeschränkt dem Unternehmer zur persönlichen Lebensführung (unter Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen und Steuern) zur Verfügung stehen. Dieser Gedanke lässt natürlich völlig betriebswirtschaftliche Überlegungen beiseite, wonach der Unternehmer z.B. die Liquidität des Unternehmens aufrecht zu erhalten hat.
So gehen z.B. die Abschreibungssätze neben ihrer Anknüpfung an die Anschaffungs- und Herstellungskosten von der Fiktion aus, dass eine Wiederbeschaffung des Anlagegutes zu gleichen Preisen möglich ist. Dies ist insbesondere regelmäßig nicht der Fall, wenn langlebige Wirtschaftsgüter vorhanden sind, die beispielsweise über 25 Jahre abgeschrieben werden.
Wegen Zukunftsinvestitionen müssen betriebswirtschaftlich Rücklagen geschaffen werden, um den Finanzbedarf zu decken, was auch Unabhängigkeit von Fremdfinanzierung mit niedriger Zinsbelastung bedeutet und zu späteren höheren Einnahmen führt.
Beispiel
Ein Sägereibetrieb hat vor mehr als 25 Jahren eine Sägemaschine angeschafft, die mit dem Erinnerungswert von 1 EUR in den Büchern geführt wird.
Technische Neuerungen führen dazu, dass bei Anschaffung einer neuen Maschine Personal eingespart werden kann, indem diese computergesteuert wird, und diese zudem eine weitaus höhere Arbeitsleistung hat als das Altmodell. Die Anschaffungskosten belaufen sich nicht mehr auf die historischen 100.000 DM, sondern nunmehr auf 250.000 EUR!
Die Abschreibung und der Zufluss der Abschreibungsgegenwerte kann die Neuanschaffung nicht finanzieren!
Lösung
Obwohl die Gewinne steuerrechtlich im vollen Umfange dem Einzelunternehmer zuzurechnen sind, muss er unterhaltsrechtlich Rücklagen bilden dürfen, um beim Ausfall der Altmaschine oder auch schon früher eine Ersatzbeschaffung vornehmen zu können.
Ein höherer Anteil an Eigenkapital führt zudem auch zur Kreditwürdigkeit im Sinne der Kreditvergaberegelungen nach "Basel III" und zu niedrigen zukünftigen Zinslasten.
Rz. 591
Hinweis
In derartigen Fällen muss vorgetragen werden, dass ein Finanzierungsbedarf zu decken ist, der zumindest teilweise aus eigenen Rücklagen stammen kann. Unabhängig von der Frage, ob das Unternehmen überhaupt ein derartiges Wirtschaftsgut zu 100 % finanzieren kann, also über die nötige Kreditwürdigkeit verfügt, gibt es noch einen anderen Aspekt:
Die Eigenfinanzierung entlastet von Fremdfinanzierung und damit von Zinsen, die zwar auch steuerlich entlastend wirken, allerdings auch das Unterhaltseinkommen des Unterhaltsverpflichteten reduziert.
Rz. 592
Arbeitet der Einzelunternehmer mit viel Fremdkapital, sind zwar seine Zinsen Betriebsausgaben im steuerrechtlichen Sinn und beeinflussen mithin das steuerliche Ergebnis. Demgegenüber hat er aber aufgrund der Zahlungsverpflichtung gegenüber der Bank selbstverständlich auch regelmäßig Tilgung zu leisten, die in der G&V nicht erfasst und dokumentiert ist. Diese müssen aber auch aus den liquiden Mitteln, aus dem steuerlichen Gewinn, erbracht werden. Um es deutlich zu machen:
Auch diese Liquidität ist sicherzustellen, ohne dass dieses sich auf den Gewinn des Unternehmens auswirkt und die Leistungsfähigkeit des Unternehmers reduziert.
Rz. 593
Hinweis
Der Parteivertreter des Unternehmers sollte deshalb in Hinblick auf diesen Aspekt detailliert und substantiiert vortragen. Damit soll erreicht werden, dass nicht alle steuerrechtlich ermittelten Gewinne zur Begründung für dessen Leistungsfähigkeit herangezogen werden.
Die vorgenannten Gedanken machen aber die grundsätzliche Problematik deutlich, dass auch bei Einzelunternehmen nicht zwanglos vom Gewinn, der nach steuerrechtlichen Vorschriften ermittelt worden ist, ausgegangen werden kann, ohne dass hier unterhaltsrechtliche Überlegungen angestellt werden.
Darüber hinaus ist zu bedenken, dass der Gewinn betriebswirtschaftlich betrachtet folgende Größen präsentiert, die der Vermögenssphäre (siehe Rdn 426 ff.) zuzuordnen sind:
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Kalkulatorischer Unternehmerlohn |
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Ausgleich für das unternehmerische Risiko |
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Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals |
Rz. 594
Argumente aus der Rechtsprechung zur Begründung einer Thesaurierung:
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Der BGH erkennt die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Liquidität eines Unternehmens in seiner Rechtsprechung zu § 7g EStG. |
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Der BGH stellt im Zusammenhang mit unterhaltsrechtlicher Anpassung von Betriebsaufwendungen (Personalkosten) betriebswirtschaftliche Überlegungen mit der Methode des externen Betriebsvergleichs an. |
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Der BGH geht bei der Unternehmensbewertung im Kontext zur Doppelverwertung auch von einer Aufsplittung des kalkulatorischen Unternehmerlohns aus und sieht im Bestandteil des individuellen kalkulatorischen Unternehmerlohns einen ablösbaren Teil des Gewinnes. Danach sind dem Unterhaltseinkommen nur die auf der per... |