Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
Rz. 1091
Die Ohne-Rechnung-Geschäfte sind im gewerblichen Bereich die gängigsten Mittel, die Einkommen- und Körperschaftsteuer zu hinterziehen. Mit den der Besteuerung entzogenen Erlösen, die auch Grundlage für das Unterhaltseinkommen sind, wird Schwarzgeld gebildet.
Scherzhaft spricht man in diesem Zusammenhang auch von "Otto-Richter-Geschäften" oder Geschäften nach "BAT-Tarif"; BAT steht für "Bar auf Tatze".
Bei einem OR-Geschäft wird die Nichtausstellung eines Beleges, der aus einer Rechnung, aber auch einer Quittung oder einem anderen Dokument bestehen kann, regelmäßig begleitet von der Nichtverbuchung des Erlöses aus dem Geschäft.
Das jedem Buchhalterlehrling eingehämmerte Kardinalsprinzip "keine Buchung ohne Beleg" wird hier ins Kriminelle umgekehrt in "weder Beleg noch Buchung".
Auf diese Weise läuft das Geschäft am Finanzamt und am Unterhaltsgläubiger vorbei.
Rz. 1092
Zu beachten ist auch, dass umsatzsteuerrechtlich die OR-Geschäfte für den Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung, sofern er Unternehmer ist, ungünstig ist, weil er damit die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs verliert. Zudem kann er als Unternehmer wegen des Reverse-Charge-Verfahrens selbst Umsatzsteuerschuldner nach § 13b UStG z.B. bei Gebäudereinigung oder Werklieferungen aus dem Ausland sein.
Die nachfolgenden Überlegungen heben im Wesentlichen auf die Einkommensteuer ab.
Die OR-Geschäfte sind natürlich keine Kavaliersdelikte, sondern strafbare Steuerhinterziehungen.
Der Täter sollte immer bedenken, dass der "Geschäftsfreund" ihn anschwärzen kann.
Er wird erpressbar; als Denunzianten kommen insbesondere in Betracht:
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getrenntlebende und geschiedene Ehepartner, |
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enttäuschte Geliebte, |
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rachsüchtige Kinder, |
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böse Nachbarn, |
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neidische Konkurrenten oder |
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ehemalige Mitarbeiter, die sich ungerecht behandelt fühlen. |
Rz. 1093
Beispiel
Als Beispiel ist hier Vermietung von Ferienwohnungen ohne Rechnung zu nennen.
Denkbar ist auch eine wiederholte Autovermietung eines Privat- oder Geschäftswagens an Privatleute ohne Rechnung, wobei nicht nur Einkommensteuer, sondern auch Umsatzsteuer und Gewerbesteuer verkürzt werden.
Typisches Beispiel ist auch die Lieferung und sonstige Leistung von Handwerkern an Privatleute ohne Rechnung.
Rechtlich sollte bedacht werden, dass derartige Schwarzverträge gemäß § 134 BGB nichtig sind, so dass natürlich auch keine Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche bestehen.
Auch bei Grundstücksgeschäften kommt dieses immer wieder vor. So werden beispielsweise Häuser mit schwarzem Aufgeld zur Ersparnis der Grunderwerbsteuer und Notariatskosten gekauft. Dadurch hinterzieht der Käufer nicht nur Steuern, er kann auch sein Schwarzgeld unterbringen. Der Verkäufer eines Hauses im Betriebsvermögen verkürzt Einkommensteuer im Hinblick auf den Veräußerungsgewinn. Dabei wird die Vorschrift des § 139 BGB nicht bedacht, so dass stets mit einer drohenden Rückabwicklung des Gesamtgeschäfts zu rechnen ist.
Letztlich ist noch die partielle Strukturierung als mildere Form des OR-Geschäfts zu nennen. Dabei kann bei Rechnung und Verbuchung mit verschiedenen Preisen gearbeitet werden.
Ähnliche Methoden verbergen sich oft bei Vereinbarungen verdeckter Konditionen, Preisnachlässen und Provisionen.