Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
Rz. 860
▪ Begriff
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes, liegt eine außergewöhnliche Belastung i.S.v. § 33 Abs. 1 EStG vor.
Im Gegensatz zu den Sonderausgaben sind die Fälle der außergewöhnlichen Belastungen im Gesetz nicht abschließend geregelt.
Bei § 33 EStG handelt es sich um eine Generalklausel.
Rz. 861
▪ Zwangsläufigkeit
Zwangsläufig erwachsen Aufwendungen, wenn sich der Steuerpflichtige aus
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rechtlichen Gründen (z.B. gesetzlicher Unterhaltspflicht), |
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tatsächlichen Gründen (z.B. Krankheit, Unfall, Tod) oder |
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sittlichen Gründen (z.B. Unterstützung bedürftiger Angehöriger) |
den Aufwendungen nicht entziehen kann.
Die Aufwendungen müssen zudem den Umständen nach notwendig sein und dürfen einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 EStG).
Rz. 862
▪ Aufwendungen
Unter die Aufwendungen i.S.d. § 33 EStG fallen u.a.:
Rz. 863
▪ Absetzbare Ersatzleistungen
Außergewöhnliche Belastungen sind aber nur die berücksichtigungsfähigen Aufwendungen i.S.d. § 33 EStG abzüglich der erhaltenen Ersatzleistungen (Unterstützung).
Diese sind z.B.:
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Beihilfen des Arbeitgebers in Krankheitsfällen |
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Ersatzleistungen aus einer Krankenversicherung für Arztkosten und Arzneimittel |
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Bezüge aus einer Krankenhaustagegeldversicherung bis zur Höhe der durch einen Krankenhausaufenthalt verursachten Kosten |
Nicht abzusetzen sind folglich Leistungen aus einer Krankentagegeldversicherung (H 33.1 – 33.4, Ersatz von dritter Seite – Krankenhaustagegeldversicherung, EStH).
Es spielt keine Rolle, wenn Ersatzleistungen erst in einem späteren Jahr gezahlt werden.
Es reicht aus, wenn der Steuerpflichtige bereits in dem Jahr, in dem die Belastung eingetreten ist, mit ihnen rechnen konnte.
Rz. 864
▪ Abflussprinzip
Grundsätzlich ist für den Zeitpunkt des Abzuges das Abflussprinzip nach § 11 Abs. 2 EStG maßgebend.
Rz. 865
▪ Personenbezogenheit
Es kommt auch nicht darauf an, wer von den Ehepartnern die Aufwendungen geleistet hat. Allein maßgeblich ist, ob die Ehepartner zusammen i.S.v. § 26 EStG veranlagt werden.
Rz. 866
▪ Zumutbare Belastung
Nicht alle zwangsläufig erwachsenen außergewöhnlichen Aufwendungen dürfen in voller Höhe abgezogen werden. Der Steuerpflichtige muss einen bestimmten Teil, die sog. zumutbare Belastung, vielmehr selbst tragen.
Rz. 867
▪ Höhe der abziehbaren außergewöhnlichen Belastung
Die außergewöhnliche Belastung abzüglich der zumutbaren Belastung definiert man als abziehbare außergewöhnliche Belastung.
Rz. 868
▪ Berechnung
Die zumutbare Belastung wird nach der Übersicht in § 33 Abs. 3 EStG dergestalt berechnet, dass der dort vorgesehene Prozentsatz (1 % bis 7 %) auf die Bemessungsgrundlage angewendet wird.
Diese Bemessungsgrundlage ist für die zumutbare Belastung der Gesamtbetrag der Einkünfte. Der Prozentsatz richtet sich nach dem Einkommensteuertarif, der Anzahl der Kinder (für die der Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld nach §§ 62 EStG in Betracht kommt) und der Höhe der Bemessungsgrundlage.
Beispiel nach Übersicht § 33 Abs. 3 EStG
Der ledige Unterhaltsschuldner S hat 2015 einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 13.000 EUR.
Krankheitskosten sind in Höhe von 3.000 EUR entstanden. Hiervon hat die Krankenversicherung 1.500 EUR erstattet.
Lösung
Die abziehbaren außergewöhnlichen Belastungen betragen:
Krankheitskosten |
3.000 EUR |
– Erstattungsbetrag |
– 1.500 EUR |
= außergewöhnliche Belastung |
1.500 EUR |
– zumutbare Belastung (hier 5 % von 13.000 EUR) |
– 650 EUR |
= abziehbare außergewöhnliche Belastung |
850 EUR |
Nach einem Urteil des BFH sind Krankheitskosten einschließlich der Zuzahlungen außergewöhnliche Belastungen.