Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
Rz. 869
▪ Scheidungskosten
Scheidungskosten werden nicht durch Einkünfteerzielung veranlasst und sind deshalb weder Werbungskosten gem. § 9 Abs. 1 EStG noch Betriebsausgaben gem. § 4 Abs. 4 EStG.
Wenn eine für den Steuerpflichtigen "zumutbare Belastung" überschritten wird, sind sie aber zwangsläufig und daher generell außergewöhnliche Belastungen.
Eine Zwangsläufigkeit kam nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH nur in Betracht, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen unausweichlich war.
Daran fehlte es im Allgemeinen bei einem Zivilprozess, wonach es in der Regel der freien Entscheidung der Parteien überlassen blieb, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzen wollten. Ließ sich der Steuerpflichtige trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess ein, lag die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozessrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen.
Es entsprach nach dem BFH somit nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, dem Steuerpflichtigen die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko zu seinem Nachteil realisierte.
Zu berücksichtigen waren daher nur die Kosten für das eigentliche Scheidungsverfahren selbst und den auszusprechenden Versorgungsausgleich. Scheidungskosten kann der Steuerpflichtige nicht ausweichen, weil infolge des Zerrüttungsprinzips regelmäßig davon ausgegangen werden muss, dass Eheleute nur dann einen Scheidungsantrag stellen, wenn aufgrund der Zerrüttung ein Festhalten an der Ehe nicht mehr möglich ist.
Die weitere Rechtsprechung des BFH ließ generell die Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastungen, unabhängig von dessen Streitgegenstand, zu.
Bei der Frage der Zwangsläufigkeit wurde nicht mehr auf die Unausweichlichkeit abgestellt. Es war nach Ansicht des BFH lebensfremd voraussagen zu können, ob ein Rechtsstreit Erfolg haben werde oder nicht. Kosten waren allerdings nur dann zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess einließ. Bei der Beurteilung war auf die Sicht eines verständigen Dritten abzustellen.
Nach dem Nichtanwendungserlass des BMF war das Urteil des BFH nicht anzuwenden. Begründet wurde dies damit, dass der Finanzbehörde keine Instrumente zur Verfügung stehen, die Erfolgsaussichten eines Zivilprozesses eindeutig, zuverlässig und rechtssicher einzuschätzen. Die Finanzgerichte haben inzwischen unterschiedlich reagiert:
So ergab sich eine Anerkennung der Aufwendungen anlässlich des Ehescheidungsverfahrens als außergewöhnliche Belastungen über die zwangsläufigen Kosten hinaus nach dem FG München nicht aus der vorgenannten neuen Rechtsprechung des BFH vom 12.5.2011, weil der BFH zu Kosten für einen Zivilprozess wegen Krankentagegeld entschieden habe. Das FG München orientierte sich weiterhin an der zu den Aufwendungen anlässlich eines Ehescheidungsverfahrens ergangenen und seiner Auffassung weiterhin gültigen Rechtsprechung des III. Senats des BFH.
Das FG Düsseldorf hingegen wollte die im Rahmen eines Scheidungsverfahrens angefallenen Anwalts- und Gerichtskosten in vollem Umfang steuerlich berücksichtigen. Das Finanzamt hatte zuvor die Kosten für den Zugewinnausgleich und die Kosten für die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen nicht anerkannt.
Alle Kosten (Gerichts- und Anwaltskosten), die mit einer Ehescheidung verbunden sind, konnten nach der Entscheidung des FG Düsseldorf abgesetzt werden, weil das Recht der Ehe (Eheschließung und -scheidung einschließlich der daraus folgenden Unterhalts-, Vermögens- und Versorgungsfragen) allein dem staatlich dafür vorgesehenen Verfahren unterliege. Ein anderes, billigeres Verfahren stünde Eheleuten zur Beendigung einer Ehe nicht zur Verfügung. Der Verhandlungs- und Entscheidungsverbund bewirkte einen Zwang zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung.
Auf der Grundlage der aktuellen BFH-Rechtsprechung ließ auch das FG Köln die geltend gemachten Anwaltskosten des Kindesvaters in einem gerichtlichen Unterhaltsabänderungsantrag der Kindesmutter für sich und das gemeinsame Kind in vollem Umfang als eine außergewöhnliche Belastung zu. Nach summarischer Prüfung bot die beabsichtigte Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten – bei ex ante Betrachtung – hinreichende Aussicht auf Erfolg. Sie erschien auch nicht mutwillig.
Das FG Schleswig-Holstein hielt darüber hinaus die Kosten eines in einem Scheidungsfolgenverfahren beauftragten britischen Rechtsanwalts und die mit dem Verfahren in Zusammenhang stehenden Reisekosten als außergewöhnliche Belastungen für abzugsfähig, wenn die Kosten nach landestypischen Gesichtspunkten angemessen sind und keine Kostenerstattung erfolgt.
Rz. 870
▪ Rechtslage ab VZ 2013
Der Gesetzgeber hat § 33 EStG mit dem Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz geändert...