Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
Rz. 383
Als Vorräte eines Unternehmens werden alle auf Lager, in Arbeit oder auch unterwegs befindlichen Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens erfasst, die für die Leistungserstellung oder als Erzeugnisse, Leistungen oder Waren für die Veräußerung vorgesehen sind (working capital).
Üblicherweise werden diese untergliedert in:
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Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe |
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unfertige Erzeugnisse |
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unfertige Leistungen |
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fertige Erzeugnisse und Waren |
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geleistete Anzahlungen. |
Rz. 384
▪ Unterhaltsrelevanz
Hinweis
Die Erhöhung dieser Bilanzposition (weitere Aktivierung) oder die Reduzierung dieser Positionen durch Wertberichtigung sind erfolgswirksam und haben damit unmittelbar Einfluss auf das Unterhaltseinkommen.
Die Vorräte sind oft "Spielwiese" für Einkommensmanipulationen!
Das Gegenkonto des entsprechenden aktiven Bestandskontos ist also stets ein erfolgswirksames Konto aus der Gewinn- und Verlustrechnung.
Rz. 385
Die im Folgenden erläuterten Verfahren der Gruppenbewertung sind, von der "familienrechtlichen Öffentlichkeit" im Wesentlichen unbemerkt, durch den BGH auch für das Unterhaltsrecht "akzeptiert" worden.
Für die Bewertung gilt grundsätzlich das Prinzip der Einzelbewertung, d.h. für fremd bezogene Gegenstände sind die Anschaffungskosten maßgebend. Da die individuelle Ermittlung der Anschaffungskosten gleichartiger Gegenstände des Vorratsvermögens häufig daran scheitert, weil die Zu- und Abgänge der Vermögensgegenstände nicht einzeln verfolgt werden können, hat der Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen die Durchbrechung des Prinzips der Einzelbewertung zugelassen und eine Gruppenbewertung gestattet, die eine Sammelbewertung und damit eine nicht individuelle Bewertung darstellt (§ 240 Abs. 3 HGB; R 5.4 Abs. 3 und 4 EStR 2012).
Die Kriterien der möglichen Gruppenbildung finden sich handelsrechtlich in § 240 Abs. 4 HGB, wonach gleichartige Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens sowie andere gleichartige oder annähernd gleichwertige bewegliche Vermögensgegenstände zu einer Gruppe zusammengefasst werden dürfen.
Beispiele
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Bestecke und Handtücher in einem Hotel; |
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Bierfässer einer Brauerei aus Holz, Metall oder Kunststoff |
Rz. 386
Folgende Verfahren kommen in Betracht:
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Festbewertung |
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Durchschnittsmethode |
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Verbrauchsfolgefiktionen |
Rz. 387
Mit der Festbewertung können Vermögensgegenstände mit einem festen Wert bewertet werden, wenn sie die folgenden Voraussetzungen erfüllen:
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weitgehend gleichbleibende Höhe des Bestandes, |
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weitgehend gleichbleibender Wert des Bestandes, |
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weitgehend gleichbleibende Zusammensetzung des Bestandes, |
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nachrangige Bedeutung des Bestandes. |
Zu Recht wird wegen der wirtschaftlichen Bedeutung gefordert, der Gesamtwert des Ansatzes mit Festwerten dürfe im Verhältnis zur Bilanzsumme max. 5 %; bzw.10 % betragen.
Rz. 388
Beispiele für Anwendungsgebiete für Festwerte:
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kleine Baugeräte, |
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Bestecke in gastronomischen Betrieben, |
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Brennstoffvorräte, |
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Büromöbel, |
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Ersatzteile, |
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Feuerlöschgeräte, |
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Gerüst- und Schalungsteile, |
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Hämmer, |
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Hotelgeschirr, -einrichtung, -wäsche, |
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Kantinenvorräte, |
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Kleingeräte und Materialien, |
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Laboreinrichtungen, |
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Modelle, |
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Rebstöcke im Weinbau, |
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Sägeblätter, |
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Schaufeln, |
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Schreibmaschinen, |
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Tische und Stühle, |
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Treibriemen, |
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Verbrauchsstoff, |
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Werkzeuge, |
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Zangen und Geräte. |
Hinweis
In der familienrechtlichen Fallbearbeitung ist die Dokumentation der Ermittlung, d.h. die Berechnung der Festbewertung, zu verlangen. Darüber hinaus hat regelmäßig (alle drei Jahre) eine körperliche Bestandsaufnahme/Inventur stattzufinden (R 5.4 EStR 2012), auf die ein unterhaltsrechtlicher Auskunfts- und Beleganspruch besteht.
Rz. 389
Bei der Durchschnittsmethode wird in der einfachsten Form der gewogene Durchschnittswert ermittelt, indem aus dem Anfangsbestand und den Zugängen jährlich ein gewogener Durchschnittsbetrag der Anschaffungskosten gebildet wird. Mit diesem Betrag ist der Endbestand zu bewerten.
Rz. 390
Verbrauchsfolgefiktionen können gemäß § 256 HGB für gleichartige Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens gewählt werden.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG, R 6.9 EStR 2012 ist nur die Lifo-Methode anerkannt (Lifo = last in – first out), bei der unterstellt wird, dass die zuletzt angeschafften oder hergestellten Vorräte zuerst veräußert und verbraucht werden und dass sich der Endbestand aus den zuerst erworbenen oder hergestellten Vermögensgegenständen zusammensetzt. Die am Bilanzstichtag vorhandenen Bestände werden mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der letzten Lagerzugänge bewertet. Ist der Endbestand mengenmäßig größer als die zuerst erworbene oder hergestellte Menge, dann ist die zusätzliche Menge mit dem Betrag der nächsten Lieferung zu bewerten.
Nach § 256 HGB ist auch die fifo-Methode = first in – first out) zulässig. Auch dies führt zu einem Auseinanderfallen von Handels- und Steuerbilanz.