Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
Rz. 730
Hinweis
Methodischer Ansatz: Die Problematik der Ermittlung der latenten Steuern auf Veräußerungsvorgänge folgt dem Ertragssteuerrecht. Die latenten Steuern, die den Vermögenswert Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen belasten, sollen im Kontext zu den Veräußerungsgeschäften dargestellt werden, ohne dass es sich um sonstige Einkünfte nach §§ 22, 23 EStG handelt (siehe oben auch unter Rdn 199 ff.).
Rz. 731
Schon der Bewertungsstandard des IDW (Institut der Wirtschaftsprüfer) HFA 2/1995 nennt als zu berücksichtigenden Posten die latente Steuerbelastung des Zugewinnausgleichsverpflichteten. Dem folgt der IDW S 13 mit Hinweis auf die BGH-Rechtsprechung zur latenten Steuerlast.
Zu den zu erfassenden Ertragsteuern gehören nämlich nicht nur die Zahllasten an das Finanzamt aufgrund der Verwirklichung von Steuertatbeständen. Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens oder den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt, § 16 Abs. 2 EStG.
Zu berücksichtigen sind auch die latenten Steuern, die sich aus der Diskrepanz von nach BilMoG ermitteltem handelsrechtlichem zu steuerrechtlichem Erfolg ergeben.
Die unter dem Begriff "latente Steuerlast" auch im Familienrecht diskutierte Problematik resultiert aus dem fiktiv zu versteuernden Veräußerungsgewinn nach §§ 16, 14, 18 Abs. 3, 34 EStG, also nicht nach §§ 22, 23 EStG.
Rz. 732
Definition des Veräußerungsgewinns
Dies ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens oder den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt (§ 16 Abs. 2 EStG; bei Beteiligung an einer Körperschaft (zur Abgrenzung zur Abgeltungsteuer siehe Rdn 709) mit mehr als 1 % sind die Anschaffungskosten maßgeblich, § 17 Abs. 1 und 2 EStG).
Rz. 733
Beispiel bei einem Einzelunternehmen
Buchwert des Betriebsvermögens (negativ, auch durch Privatentnahmen) |
– 55.000 EUR |
ermittelter Unternehmenswert |
70.000 EUR |
Veräußerungsaufwand, fiktiv, geschätzt |
– 5.000 EUR |
Veräußerungsgewinn |
120.000 EUR |
Rz. 734
Der überkommene Bewertungsstandard des Instituts der Wirtschaftsprüfer zur Unternehmensbewertung (HFA 2/1983) nahm noch einen individuellen Steuersatz an.
Der geltende Bewertungsstandard in IDW S 1 nimmt einen standardisierten Steuersatz an, wenn ein objektivierter Unternehmenswert zu ermitteln ist.
Dies wird damit begründet, dass eine subjektive latente Steuerlast dazu führen würde, dass der Unternehmenswert für jeden Beteiligten, zum Beispiel bei Tausenden von Beteiligten an einer Publikumsgesellschaft, individuell und differenziert mit unterschiedlichen Ergebnissen zu ermitteln wäre.
Für eine objektivierte latente Steuerlast spricht der streitentscheidende Charakter eines Bewertungsgutachtens in einem Zugewinnausgleichsverfahren.
Die Bewertungslehre geht deshalb von einer Typisierung der Ertragsteuer zur Ermittlung eines objektiven Unternehmenswerts bei Bewertungsstichtagen bis zum 5.7.2007 (nach Ratifizierung der Unternehmensteuerreform 2008 (siehe Rdn 6 ff.) durch den Deutschen Bundesrat am 6.7.2007 ist die Abgeltungsteuer bei Erstellung von Bewertungen ab 2009 wegen des Zuflusszeitpunktes maßgeblich) von einem Steuersatz von 35 % aus. Dieser standardisierte Steuersatz entspricht langjährigen Erfahrungen zur Höhe der Steuersätze in Deutschland.
Bei Bewertung ab 2009 (mit Bewertungsstichtagen ab dem 6.7.2007) ist die Abgeltungsteuer zu berücksichtigen. Danach unterliegen Einkünfte aus ausgeschütteten Dividenden und Zinsen einer Abgeltungsbesteuerung von 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag (also effektiv 26,375 %). Hinzu kommt wegen der üblichen Haltedauer von Kapitalbeteiligungen eine hälftige Kursgewinnversteuerung mit 12,5 % auf thesaurierte Gewinne.
Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften beträgt der Steuersatz für laufende Erträge weiterhin 35 %.
Rz. 735
Hinweis
Unternehmensbewerter, die die Rspr des BGH regelmäßig nicht kennen, werden die latente Steuer entsprechend ansetzen!
Rz. 736
Zurück zu oben genanntem Beispiel mit angenommenem Steuersatz:
Veräußerungsgewinn |
120.000 EUR |
35 % latente Steuer |
– 42.000 EUR |
ermittelter Unternehmenswert |
70.000 EUR |
abzüglich latenter Steuern |
– 42.000 EUR |
danach sind in die Zugewinnausgleichbilanz nur einzustellen |
28.000 EUR |
Rz. 737
Das Beispiel macht deutlich, dass der Einzelunternehmer z.B. durch überhöhte Privatentnahmen und unwirtschaftlichem Verhalten ein negatives Eigenkapitalkonto verursacht hat, seine Zahllast dem Anspruchsteller gegenüber reduzieren kann. Er generiert durch dieses Verhalten eine höhere latente Steuerlast.
Beim Ausscheiden eines Kommanditisten gegen Entgelt aus einer KG, ergibt sich der Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 Abs. 2 EStG aus der Differenz zwischen den dem Ausscheidenden aus diesem Anlass zugewandten Leistungen und seinem Kapitalkonto (Buchwert). Dies gilt auch für ein negatives Kapitalkonto. Es führt rechnerisch, siehe auch Beispiel zuv...