Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
Rz. 423
In der Literatur wird nur noch vereinzelt die Ansicht vertreten, die Privatentnahmen gewährten einen generellen Einblick in die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners.
Die herrschende Meinung sieht in den Privatentnahmen aber nur eine Hilfs- oder Korrekturgröße zu dem nach steuerlichen Gesichtspunkten ermittelten Gewinn.
Dabei stellen Privatentnahmen Vermögensentzug aus dem Unternehmen dar, die z.B. auch über Bankverbindlichkeiten und/oder Gesellschafterdarlehen finanziert werden können.
Sie stellen keinen Unternehmensertrag dar und werden deshalb bei den Passivposten der Bilanz, also bei Vermögenspositionen, und nicht in der G&V ausgewiesen.
Auch der BGH hat in seiner Rechtsprechung zum Verbot der Doppelverwertung eine konsequente Trennung zwischen Vermögens- und Einkommenssphäre bei der Entwicklung seiner Grundsätze zum individuellen kalkulatorischen Unternehmerlohn vorgenommen.
Wenn generell keine Konkurrenz zwischen Zugewinn und Unterhalt besteht, in dem für den Zugewinn nur die übertragbaren Bestandteile bewertet werden, wozu der auf die persönliche Leistung des Inhabers entfallene Teil des Ertragswerts nicht gehört, hat dies Konsequenzen für das Unterhaltsrecht:
Nur der auf die persönliche Leistung des Inhabers beruhende Anteil am Gewinn steht damit für Unterhaltszwecke zur Verfügung.
Der Anteil des Gewinns, der sich zugleich als Ausgleich für das unternehmerische Risiko und die Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals ergibt und damit beispielsweise nicht auf die Leistungen des Inhabers, sondern auf die Erwirtschaftung durch seine Mitarbeiter zurückgeht, stellt im Umkehrschluss dann keine relevanten Unterhaltseinkünfte dar und betrifft den Vermögensbereich!
Rz. 424
Hinweis
Mit dieser Rspr zur Bewertung in Zugewinnausgleich führt das Verbot der Doppelverwertung zur stringenten Differenzierung zwischen Einkommens- und Vermögenssphäre. Die Privatentnahmen als Anknüpfungspunkt für das Unterhaltseinkommen scheiden deshalb methodisch aus!
Diese Differenzierung verlangt, ebenso wie die Begründung der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit von Gewinnthesaurierungen bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften, natürlich substantiierten anwaltlichen Vortrag. Das Gericht wird diese Differenzierungen aus den Gewinnermittlungen sicherlich nicht von sich aus vornehmen.
Rz. 425
Die Privatentnahmen sind außerdem daraufhin zu analysieren, wovon der Unterhaltsschuldner überhaupt gelebt hat. Reichen die Privatentnahmen und Einkünfte aus anderen Einkunftsarten aus, um den Lebensunterhalt zu finanzieren (Indiz für Schwarzeinkünfte)?
Es darf auch keine Verpflichtung des Unterhaltsschuldners geben, sich bis zur Insolvenz unwirtschaftlich zu verhalten, weil er auf Kredit die Privatentnahmen eheprägend finanziert hat. Regelmäßig profitierte zudem der unterhaltsberechtigte Ehepartner in der Vergangenheit davon.
Die Privatentnahmen bedürfen zudem einer intensiven Analyse, weil auf den Privatkonten oftmals auch Unterhaltszahlungen und Vorsorgeaufwendungen verbucht werden, sodass eine Doppelberücksichtigung im Zuge der Anrechnung von Vorsorgeaufwendungen und Einkommensteuer zu vermeiden ist. In diesem Zusammenhang erlangt die Differenzierung zwischen so genannten freien Entnahmen für Essen, Kleidung, Urlaub et cetera und den so genannten gebundenen Entnahmen für Versicherungsbeiträge, Steuern und Unterhaltsleistungen et cetera Bedeutung.
Privateinlagen sind den Privatentnahmen gegenzurechnen. Dabei gibt es oftmals hohe Einmalzahlungen bei den Privateinlagen, beispielsweise durch Einlage von Versicherungssummen in ein Unternehmen. Dann versagt der Ansatz über die Privatentnahmen wegen völlig unrealistischer Werte.