Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
1. Unbeschränkte Steuerpflicht
Rz. 112
Das Einkommensteuerrecht unterscheidet zwischen
und
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der beschränkten Steuerpflicht. |
Nach § 1 Abs. 1 EStG ist eine natürliche, also noch lebende Person, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie
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im Inland einen Wohnsitz |
oder
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ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. |
Unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind nach § 1 Abs. 2 EStG auch deutsche Staatsangehörige,
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die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, |
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jedoch zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen |
und
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dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen |
und
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in dem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, lediglich in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht stehenden Umfang zur Besteuerung herangezogen werden. |
Natürliche Personen werden auch dann als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, wenn sie
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weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, |
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jedoch inländische Einkünfte i.S.v. § 49 EStG beziehen. |
Rz. 113
Man nennt dies auch eine fiktive unbeschränkte Einkommensteuerpflicht, die neben einem Antrag bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen hat:
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So müssen die Einkünfte im Kalenderjahr zumindest 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen |
oder
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die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte überschreiten nicht den gekürzten Grundfreibetrag |
und
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die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte wird durch eine Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen. |
Rz. 114
Hinweis
Die unbeschränkte Steuerpflicht hat den Vorteil, dass z.B. die Anwendung des Splittingverfahrens nach § 32a Abs. 5 EStG und ein Sonderausgabenabzug für Unterhaltsleistungen in Betracht kommen.
Rz. 115
Für Staatsangehörige von EU-Staaten (einschließlich Deutschen) oder auch EWR-Staatsangehörige (Europäischer Wirtschaftsraum) gilt § 1a EStG wie folgt:
Sind diese nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig und sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG erfüllt oder sind diese Staatsangehörigen nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln, können sie bestimmte Vergünstigungen in Anspruch nehmen, wie z.B.
Nach dem Jahressteuergesetz 2008 vom 20.12.2007, ist durch eine Änderung des § 1a EStG das Erfordernis aufgegeben worden, dass nahezu sämtliche Einkünfte der deutschen Einkommensteuer unterliegen müssen, damit der Abzug von Unterhaltsleistungen an einen im EU/EWR- Ausland lebenden geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehepartner in Anspruch genommen werden kann. Dies führt zu einer Gleichstellung von Unterhaltsleistungen an einen unbeschränkt Einkommensteuerpflichtigen.
2. Beschränkte Steuerpflicht
Rz. 116
Erzielen natürliche Personen, die weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG, so unterliegen nur die inländischen Einkünfte der Einkommensteuer. Es besteht insoweit die sog. beschränkte Einkommensteuerpflicht.
Bei den Einkünften i.S.v. § 49 EStG handelt es sich z.B. um
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Einkünfte aus einer im Inland betriebenen Land- und Forstwirtschaft oder |
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Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist. |
Rz. 117
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Für die Ermittlung der Einkünfte gelten grundsätzlich die gleichen Bestimmungen wie bei der unbeschränkten Steuerpflicht. § 49 EStG zählt die Einkünfte auf, die, soweit sie nicht durch Doppelbesteuerungsabkommen von der deutschen Besteuerung freigestellt sind, der beschränkten Steuerpflicht unterfallen. Betriebsausgaben und Werbungskosten dürfen nur insoweit abgezogen werden, als sie mit inländischen Einkünften im Zusammenhang stehen. |
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Es werden nur folgende Sonderausgaben berücksichtigt: |
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Spenden |
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Verlustabzug. |
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Bei der Steuerberechnung werden nicht berücksichtigt: |
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Werbungskostenpauschbeträge |
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Sparerfreibetrag |
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Altersentlastungsbetrag |
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Sonderausgabenpauschbetrag |
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Freibeträge für Kinder |
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außergewöhnliche Belastungen |
Rz. 118
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Der Steuerabzug vom Arbeitslohn und den Kapitalerträgen hat nach § 50a EStG grundsätzlich Abgeltungswirkung. Es wird der Tarif für unbeschränkt steuerpflichtige angewandt, allerdings ohne den Grundfreibetrag. |
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Der beschränkt Steuerpflichtige kann die Veranlagung zur Einkommensteuer beantragen (§ 50 Abs. 2 Satz 1, 2 Nr. 4 EStG). |
Bei der Antragsveranlagung werden Werbungskosten sowie Vorsorgeaufwendungen zur gesetzlichen Rentenversicherung, Basiskrankenversicherung und gesetzlichen Pflegeversicherung als Sonderausgaben berücksichtigt (§ 50 Abs. 1 Satz 4 EStG), auf ausländische Einkünfte wird der Progressionsvorbehalt angewendet (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG).
Rz. 119
Hinweis
Besteht während des Kalenderjahres sowohl eine u...