Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
Rz. 357
Die Abschreibung ist ein immer wiederkehrendes und uraltes Problem in Unterhaltsrechtstreitigkeiten und allen Beteiligten an derartigen Verfahren bestens bekannt. Die unterhaltsrechtlichen Leitlinien befassen sich mit der Fragestellung.
Die familienrechtliche Rechtsprechung und Lehre haben sich zu keinem Zeitpunkt mit der Frage befasst, ob bei Leasing unterhaltsrechtliche Korrekturen oder wenigstens nur eine Angemessenheitsüberprüfung stattzufinden hat.
Das durch die Finanzierungsmargen wirtschaftlich teurere Leasing ist dem Unternehmer, der sich im unterhaltsrechtlichen Verfahren befindet, deshalb zu empfehlen.
In diesem Kontext darf auch die für den Unterhaltsberechtigten günstige Wirkungsweise der Verteilung der Abschreibung über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer nicht verkannt werden. Demgegenüber fließen die Ausgaben des Unternehmens durch Liquiditätsverlust sofort bei Vornahme der Investitionen ab. Beim Leasing sind die laufenden Aufwendungen vollumfänglich sofort erfolgswirksam.
Rz. 358
Dem ist zunächst einmal vorauszuschicken, dass grundsätzlich dem Unternehmer ein betriebswirtschaftliches Ermessen einzuräumen ist, welche Investitionen er überhaupt vornimmt.
Über die Abschreibungen, aber auch über die Zinsen für die Investition, kommt es zunächst zu Aufwendungen und erst zu einem späteren Zeitpunkt zu Einnahmen für das Unternehmen. Diese Einnahmen führen dann allerdings auch zu höherem Einkommen, die die Leistungsfähigkeit des Unternehmers erhöhen.
Darüber hinaus kann eine Rücklagenbildung für spätere Investitionen erforderlich sein, die die Liquidität des Unternehmens mit Kreditwürdigkeit nach Basel III erhöht und damit die Fremdfinanzierungskosten reduziert. Zwischenzeitlich ist Basel IV verabschiedet und muss bis 2023 in nationales Recht umgesetzt werden. Basel IV führt neue Standards, nach denen die Banken ihre Kapital Anforderungen berechnen müssen.
Eine unterhaltsrechtliche Überprüfung von Investitionen soll nur dann geboten sein, wenn eine erhebliche Veränderung des Investitionsverhaltens vorliegt oder die Investitionen privaten Interessen dienen oder ein Mangelfall vorliegt. Eine allgemeine Angemessenheitsüberprüfung wird zu Recht abgelehnt.
Auch insoweit ist dem Gedanken der Vollausschüttung der Gewinne, wie sie das Unterhaltsrecht regelmäßig annimmt, entgegenzutreten.
Selbst der unterhaltsrechtlich modifizierte steuerliche Gewinn ist nicht mit dem Unterhaltseinkommen gleichzusetzen. (Gewinn ≠ Einkommen!)
Rz. 359
Hinweise
1. Die Rechtsprechung des BGH zum Zugewinnausgleich, der im Kontext zum individuellen kalkulatorischen Unternehmerlohn eine Differenzierung zwischen Einkommens- und Vermögenssphäre vornimmt, verlangt eine Aufteilung des auf steuerlichen Grundlagen basierenden und unterhaltsrechtlichen Korrekturen unterliegenden Gewinn in Unterhaltseinkünfte und Vermögenselemente. Element des Einkommens ist dabei der kalkulatorische Wert der Tätigkeit, während der Gewinn gleichzeitig den Ausgleich für das unternehmerische Risiko und die Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals zu repräsentieren hat. Der BGH will nur das der subjektiven Leistung entsprechende Einkommen unterhaltsrechtlich berücksichtigt wissen. Dies setzt dezidierten Vortrag des Anwalts des Unternehmers voraus, weil das Gericht von sich aus die entsprechende Differenzierung nicht vornehmen wird!
2. Der Anwalt des Selbstständigen/Gewerbetreibenden sollte beim Mandanten und seinem Steuerberater unterhaltsrechtliches Problembewusstsein wecken und bei anstehenden Gestaltungen (eventuell Änderung der AfA-Methode, Neuinvestitionen) darauf hinwirken, dass eine Abwägung zwischen Steuervorteilen durch möglichst hohe AfA und Unterhaltsproblemen erfolgt. Eine eher zurückhaltende Abschreibung kann im Unterhaltsprozess Gutachten und Rechtsmittel ersparen. Bei allen Investitionen, die die private Lebensführung berühren (Pkw), ist Zurückhaltung zu empfehlen. Es ist an die umfassende Darlegungslast des Selbstständigen zu denken.
Der Anwalt des Gegners muss sein Augenmerk demgegenüber darauf richten, dass möglichst viele vollständige Jahresabschlüsse mit Anlage- und Abschreibungsverzeichnissen vorgelegt werden. Er muss diese zutreffend auswerten (lassen) und verwerten. Oft ist es sinnvoll, detaillierte Erläuterungen vom Selbstständigen zu verlangen.