Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
1. Begriff des Betriebsvermögens
Rz. 222
Zitat
"Diejenigen Ausreden, in denen gesagt wird, warum die Aktiengesellschaft keine Steuern bezahlen kann, werden in einer so genannten Bilanz zusammengestellt." (Kurt Tucholsky)
Der Begriff des Betriebsvermögens ist gesetzlich nicht definiert. Zum Betriebsvermögen gehören im Einkommensteuerrecht Wirtschaftsgüter, die nach ihrer Art und nach ihrer Funktion in einem betrieblichen Zusammenhang stehen. Die Festlegung des Betriebsvermögens dient der Ermittlung des zu versteuernden Gewinns. Fehlt ein betrieblicher Zusammenhang, werden die Wirtschaftsgüter dem Privatvermögen zugerechnet.
Beim Reinvermögen nach handelt es sich um den Unterschiedsbetrag zwischen dem Bruttovermögen und den Schulden des Betriebs. Das Reinvermögen (auch Nettovermögen) entspricht dem Eigenkapital, welches die Residualgröße in der Bilanz darstellt. Zum Reinvermögen – und Eigenkapital – werden alle Gewinnanteile hinzugerechnet, auf deren Ausschüttung die Gesellschafter endgültig verzichtet haben. Nicht zum Eigenkapital und Reinvermögen gehören die aus Gewinnen gebildeten Rückstellungen. Diese vermindern das Reinvermögen, weil sie zu den Verbindlichkeiten gerechnet werden.
Beispiel
Folgende Wirtschaftsgüter werden am Ende des Wirtschaftsjahres durch Inventar und Inventur ausgewiesen:
Vermögen |
|
|
Betriebs- und Geschäftsausstattung |
50.000 EUR |
|
Waren |
30.000 EUR |
|
Forderungen aus L+L |
20.000 EUR |
|
Kassenbestand |
10.000 EUR |
110.000 EUR |
– Schulden |
|
|
Verbindlichkeiten aus L+L |
30.000 EUR |
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Bankverbindlichkeiten |
20.000 EUR |
– 50.000 EUR |
= positives Betriebsvermögen |
|
60.000 EUR |
Lösung
Der Betrieb verfügt über ein Reinvermögen in Höhe von 60.000 EUR.
Rz. 223
Wenn die Schulden das Vermögen übersteigen, spricht man auch von einem negativen Betriebsvermögen.
Beispiel
Vermögen |
300.000 EUR |
– Verbindlichkeiten |
– 400.000 EUR |
= negatives Betriebsvermögen |
– 100.000 EUR |
Lösung
Der Betrieb hat Verbindlichkeiten in Höhe von 100.000 EUR.
Rz. 224
Der Gewinnbegriff nach § 4 Abs. 1 S. 1 EStG definiert sich durch den Vergleich des Betriebsvermögens am Schluss des Wirtschaftsjahres mit dem am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres.
Beispiel
Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres per 31.12.2016 |
100.000 EUR |
– Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres per 31.12.2015 |
– 50.000 EUR |
Gewinn |
+ 50.000 EUR |
Rz. 225
Ist das Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres niedriger als am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, so ist der Unterschiedsbetrag negativ. Dieser Unterschiedsbetrag ist noch um die Entnahmen und Einlagen zu bereinigen, um das Jahresergebnis zu ermitteln (siehe folgendes Beispiel).
Rz. 226
▪ Entnahmen
Bei den Entnahmen, d.h. bei den Privatentnahmen, handelt es sich um alle Wirtschaftsgüter, die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt und für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat (siehe im Einzelnen Rdn 409 ff.).
Rz. 227
▪ Einlagen
Im Gegensatz hierzu handelt es sich um Einlagen, d.h. Privateinlagen, wenn der Steuerpflichtige im Laufe des Wirtschaftsjahres aus seinem Privatvermögen dem Betrieb Wirtschaftsgüter, wie z.B. Bargeld zugeführt hat (§ 4 Abs. 1 S. 2, S. 5 EStG; siehe im Einzelnen Rdn 409 ff.).
Da der steuerliche Gewinn nur die Vermögensänderung im betrieblichen Bereich erfassen kann, müssen folgerichtig Vermögenserhöhungen, die aus Einlagen resultieren, gekürzt und andererseits Vermögensminderungen, die durch Entnahmen entstanden sind, wieder hinzugerechnet werden.
Beispiel
Das Betriebsvermögen eines Gewerbetreibenden beträgt nach der Bilanz zum 31.12.2016 100.000 EUR und nach der Bilanz zum 31.12.2015 50.000 EUR.
Im Jahr 2016 hat der Steuerpflichtige für 20.000 EUR Waren entnommen und von seinem privaten Sparkonto 40.000 EUR abgehoben und damit Verbindlichkeiten des Betriebes beglichen.
Lösung
Der Gewinn für 2016 errechnet sich wie folgt:
Betriebsvermögen am Schluss des WJ 2016 |
100.000 EUR |
– Betriebsvermögen am Schluss des WJ 2015 |
– 50.000 EUR |
= Unterschiedsbetrag |
+ 50.000 EUR |
+ Entnahmen 2016 |
+ 20.000 EUR |
– Einlagen 2016 |
– 40.000 EUR |
= Gewinn aus Gewerbebetrieb 2016 |
30.000 EUR |
2. Betriebsvermögensvergleich i.S.v. § 4 Abs. 1 EStG
Rz. 228
Diese Gewinnermittlungsart kommt nur für Land- und Forstwirte, die buchführungspflichtig sind oder freiwillig Bücher führen, sowie für selbstständig Tätige, die freiwillig Bücher führen, in Betracht.
Rz. 229
Für Gewerbetreibende, die buchführungspflichtig sind oder freiwillig Bücher führen, gelten die Gewinnermittlungsvorschriften des § 5 EStG zusätzlich.
Diese sind buchführungspflichtig, wenn sie Kaufleute sind oder wenn eine der folgenden, in § 141 AO genannten, Grenzen überschritten wird:
▪ |
Umsätze von mehr als 600.000 EUR im Kalenderjahr |
oder
▪ |
Gewinn aus Gewerbebetrieb von mehr als 60.000 EUR im Wirtschaftsjahr |
Rz. 230
Hinweis
Im Gegensatz zu der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG sind bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG nicht ...