Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
1. In-Prinzip
Rz. 1007
Die Einkommensteuer stellt im Rahmen der Leistungsfähigkeit einen Abzugsposten dar.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind Steuern und Abgaben grundsätzlich jeweils in der tatsächlich entrichteten Höhe abzusetzen und spätere Veränderungen, z.B. wegen Abweichung der Veranlagung zur Einkommensteuer, von der Vorauszahlung erst zu berücksichtigen, wenn diese Veränderungen tatsächlich eingetreten sind.
Hierbei geht der BGH vom sog. "In-Prinzip" aus.
Mit diesem Terminus wird im Familienrecht allgemein das Zu- und Abflussprinzip umschrieben.
Bei der Berechnung des Nettoeinkommens wird als Abzugsposten die tatsächliche Einkommensteuerzahlung, Vorauszahlung und Nachzahlung als Einkommensminderung nur in dem Kalenderjahr berücksichtigt, in dem diese tatsächlich geleistet werden.
2. Für-Prinzip
Rz. 1008
Das in der Literatur präferierte "Für-Prinzip" folgt der tatsächlichen Steuerlast ausweislich der steuerrechtlichen Veranlagung.
Das In-Prinzip ist wegen seiner Manipulationsmöglichkeiten und seines Verstoßes gegen das Prinzip der periodengerechten Jahresabgrenzung der Bilanzierung abzulehnen. Zudem werden Steuerzahlungen und Steuererstattungen berücksichtigt, die zu einer Steuerveranlagung gehören können, die außerhalb des unterhaltsrechtlichen Betrachtungszeitraums liegen.
3. Zu berücksichtigende Steuer
Rz. 1009
Zu den Steuerzahlungen gehören auch die Lohnsteuer und die Kirchensteuer.
Diese stellen lediglich besondere Erhebungsformen der Einkommensteuer dar s.o.
Die im Veranlagungszeitraum geleisteten Zahlungen werden daher ebenso wie Einkommensteuer-Vorauszahlungen berücksichtigt.
4. Fiktive Steuerberechnung in der Rechtsprechung
Rz. 1010
Der BGH hat nicht immer konsequent das In-Prinzip angewendet. So hat er eine fiktive Steuerberechnung in einem Fall zugunsten des Unterhaltsschuldners zugelassen, der erhebliche Verluste aus einem Bauherrenmodell ausgewiesen hatte. Die fiktive Steuerlast wurde dort vom Unterhaltseinkommen abgezogen. Auch nimmt die Rechtsprechung stets eine fiktive Steuerberechnung vor, wenn es um die Wahl der ungünstigeren Steuerklasse und die Nichtausschöpfung steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten geht.
Ferner erfolgt eine fiktive Steuerberechnung, wenn statt der degressiven AfA eine lineare AfA-Tabelle Berücksichtigung finden soll und wenn Ansparabschreibungen nicht innerhalb des unterhaltsrelevanten Betrachtungszeitraumes gebildet und aufgelöst werden.
Auch sind Fiktivsteuern zu berechnen, wenn steuerliche Vorteile bei der Wiederheirat des Unterhaltspflichtigen vorhanden sind. Der Splittingvorteil des wiederverheirateten Unterhaltspflichtigen bleibt nämlich beim Ehegattenunterhalt im Gegensatz zur Berechnung beim Kindesunterhalt unberücksichtigt. Das Bundesverfassungsgericht führt aus:
"Steuerliche Vorteile, deren Entstehen vom Eheschluss ausgelöst werden, die das Zusammenleben der Ehegatten voraussetzen und die der Gesetzgeber in Konkretisierung seines Schutzauftrages allein der bestehenden Ehe einräumt, dürfen ihr durch die Gerichte nicht dadurch wieder entzogen werden, dass sie der geschiedenen Ehe zugeordnet werden und über die Unterhaltsberechnung auch den Unterhalt des geschiedenen Ehegatten erhöhen."
Auch bei der Aufteilung einer Steuerschuld zwischen Ehegatten erfolgt eine fiktiv getrennte Veranlagung gemäß § 270 AO.
5. Kritik am In-Prinzip
Rz. 1011
Das In-Prinzip ist deshalb zu kritisieren, weil es Manipulationsmöglichkeiten zulässt. Der Steuerpflichtige kann Einfluss auf die Steuerzahllast, insbesondere die Vorauszahlungen nehmen, um so sein Unterhaltseinkommen zu reduzieren.
Auch kann das In-Prinzip zu grotesken Ergebnissen führen, was ein Beispiel aus der Gutachtenpraxis belegt:
Beispiel
Der Unterhaltsschuldner S ist Zahnarzt und eröffnet seine Praxis im Jahr 2013. In diesem Jahr nimmt er auch seine berufliche Tätigkeit auf.
In den Jahren 2014 und 2015 entrichtet er noch keine Einkommensteuer. Da noch keine Veranlagung des ersten Jahres erfolgt ist, werden noch keine Vorauszahlungen entrichtet.
Betrachtungszeitraum für das Unterhaltse...