I. Vom Wohl zum Willen, vom Objekt zum Subjekt
Rz. 15
Wie es bereits mit der Reform im Jahre 1992 begonnen wurde, sollen Betreute (und entsprechend Mündel) im Verfahren und während der Betreuung noch mehr Subjekt und weniger Objekt sein. Daraus resultiert die Abkehr vom "Wohl" und die Zuwendung zu Wunsch und Willen des Betreuten (siehe auch § 12 Rdn 1–11). Der Unterstützungsgedanke als Gegensatz zur Bevormundung kommt in § 1821 BGB n.F. "Pflichten des Betreuers; Wünsche des Betreuten" gut zum Ausdruck. Nicht mehr das "Wohl" ist der zentrale Begriff – die Wünsche des Betreuten sind festzustellen und ihnen ist zu entsprechen, der Betreute bei deren Umsetzung rechtlich zu unterstützen. Ausnahmen sind erhebliche Gefährdungen oder Unzumutbarkeit.
Rz. 16
Schon vorgelagert sollen Betreuungen durch Regelungen im BtOG und in den SGB I, SGB IX und SGB X vermieden werden, indem etwa nur zur Sozialleistungsregelung angeordnete Betreuungen überflüssig und so genannte "andere Hilfen" betont werden, vgl. § 1814 BGB, § 22 Abs. 4 SGB IX, § 21 Abs. 4 SGB I (siehe § 22 Rdn 1 f., § 18 Rdn 17). In dieselbe Richtung sollen das Ehegattenvertretungsrecht wirken sowie die "erweiterte Unterstützung" der Betreuungsbehörden nach dem BtOG.
Rz. 17
Die Betreuungsgerichte befassen sich bislang weniger mit dem Betroffenen als z.B. mit Vergütungs- und Genehmigungsanträgen von Betreuern. In Zukunft sollen sie mehr an der Wunschermittlung mitwirken und dafür durch Vereinfachungen im Verfahren entlastet werden, etwa bei der Vergütungsfestsetzung und der Prüfung von Schlussrechnungen.
Rz. 18
Betreuungsvereine sollen (auch finanziell) gestärkt werden und ehrenamtliche Betreuer mehr unterstützen. Berufsbetreuungen sollen professionalisiert werden. Zur Qualitätssteigerung und -sicherung wird ein Registrierungsverfahren für Betreuer bei der Betreuungsbehörde als "Stammbehörde" eingeführt, das formal niederschwellig sein soll.
II. Betonung anderer Hilfen
Rz. 19
Zwar auch, um die Selbstbestimmung der Betroffenen zu erhalten und zu fördern, maßgeblich aber wohl zur Kosteneinsparung bei den Betreuungen (siehe Rdn 24) sollen Betreuungen vermieden werden. Das kann durch die stärkere Verweisung auf andere Hilfen sowie der Steigerung derer tatsächlicher Verfügbarkeit erreicht werden.
Rz. 20
Neben der Betonung des Erforderlichkeitsgrundsatzes auch in § 1814 BGB n.F. wurde in § 8 BtOG die Vermittlung eines Unterstützungsangebotes implementiert, um andere Hilfen zu vermitteln und so eine Betreuung zu vermeiden (siehe § 18 Rdn 17). Ihr Effekt und die Umsetzung in der Praxis einschließlich der Frage der Belastung der Betreuungsbehörden ist offensichtlich von besonderem Interesse, was aus der ausführlichen Formulierung bei den Evaluierungsregeln zu erkennen ist.
Rz. 21
Zu Recht wurde – u.a. von Ländervertretern – auf die Komplexität und die Zugangshürden bei den Sozialsystemen verwiesen. Insbesondere im Sozialrecht solle der Nachrang der Betreuungen verankert werden. Ob eine solche gesetzliche Regelung aber an der zum Teil wohl eher auf Leistungsverweigerung angelegte Praxis von Sozialbehörden etwas ändern wird, erscheint fraglich.
Rz. 22
Sinnvoll erscheint der Gedanke, die Assistenzleistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe zu erweitern. Damit könnte wahrscheinlich sehr zielgenau in dem Bereich der Leistungsbezieher angesetzt werden, welcher unter Umständen überflüssige Betreuungen verursacht.