Rz. 1

Wie schnell ein normaler Zivilprozess zum Erbrechtsprozess wird und zu welchen Problemen dies führen kann, wird jeder Rechtsanwalt spätestens dann ersehen, wenn während des Prozesses eine der Parteien stirbt. Die ZPO hat gottlob für jede Konstellation die passende Lösung gefunden. Allerdings für viele Rechtsanwälte verborgen. Im Einzelnen sollen nachfolgend typische Fallkonstellationen kurz beleuchtet und erläutert werden.

Ein Stillstand eines Verfahrens kann unterschiedlich bedingt sein, z.B. durch

Unterbrechung,
Ruhen des Verfahrens oder
Aussetzung.

I. Unterbrechung (§§ 239–245 ZPO)

 

Rz. 2

Der Tod einer Prozesspartei führt regelmäßig nicht zur Beendigung des Prozesses.[1] Vielmehr tritt der Erbe einer Prozesspartei im Zuge der Universalsukzession nach § 1922 BGB auch in das Prozessverhältnis ein.[2]

Im Falle des Todes einer Partei tritt eine Unterbrechung nach § 239 ZPO des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger ein. Ist der Rechtsstreit z.B. durch den Tod des Klägers unterbrochen worden, so kann die Aufnahme auch durch einen einzelnen Miterben erfolgen, der gemäß § 2039 BGB zur Geltendmachung des Klageanspruchs berechtigt ist.[3]

Einer Entscheidung durch das Gericht oder eines Antrages bedarf es nicht.

Besteht allerdings über die Frage der Unterbrechung Streit, kann das Gericht nach § 303 ZPO durch ein Zwischenurteil entscheiden.[4]

Ein derartiges Zwischenurteil kann nicht selbstständig angefochten werden.[5] Wollen die Erben das Verfahren nicht aufnehmen und verzögert es sich hierdurch, sollte umgehend ein Antrag beim Gericht gestellt werden, dass die Rechtsnachfolger zur Aufnahme und zugleich zur Verhandlung der Hauptsache nach § 239 Abs. 2 ZPO zu laden sind. Erscheinen dann die Rechtsnachfolger in dem Termin nicht, treten die gleichen Folgen wie bei einem Versäumnis der Partei ein. Allerdings können die Rechtsnachfolger nicht vor Annahme der Erbschaft zur Fortsetzung des Rechtsstreits verpflichtet werden (§ 239 Abs. 5 ZPO). Gegebenenfalls sollte, um längere Verzögerungen zu vermeiden, bei totaler Untätigkeit der Gegenseite, selbstständig ein Erbscheinsverfahren eingeleitet werden.

 

Rz. 3

Die Unterbrechungswirkung tritt nicht in Anwaltsprozessen gemäß § 246 ZPO ein. Dies gilt auch dann, wenn sich unter den Prozessgegnern der verstorbenen Partei ein Miterbe befindet.[6] Sofern der Prozessgegner Alleinerbe der verstorbenen Partei ist, endet jedoch das Prozessrechtsverhältnis automatisch, da es kein Insichprozess geben kann. Auch eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO kommt grundsätzlich nicht in Betracht.[7]

Die Vorschrift des § 239 ZPO gilt nicht vor Eintritt der Rechtshängigkeit eines Verfahrens.[8] Rechtshängig ist nach § 253 ZPO ein Verfahren erst nach Zustellung der Klageschrift, nicht jedoch bei Übersendung eines PKH-Antrages, der ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Gewährung der Prozesskostenhilfe gestellt wurde. Hat also eine Person einen PKH-Antrag gestellt und ist anschließend verstorben, erfolgt keine Unterbrechung des Verfahrens, da eine verstorbene Person weder prozess-, noch parteifähig ist.

Die Rechtsfähigkeit endet mit dem Tod (vgl. § 50 ZPO). Eine Zustellung an einen vor dem Prozess Verstorbenen ist wirkungslos.[9] Ein dennoch ohne Aufdeckung der fehlenden Parteifähigkeit ergangenes Urteil (z.B. Versäumnisurteil gegen Verstorbenen) erzeugt zwar grundsätzlich formelle und materielle Rechtskraft zum Nachteil der richtigen Partei, kann von ihr aber gemäß §§ 547 Nr. 4, 579 Nr. 4 ZPO beseitigt werden. Dies wird in der Praxis bei fehlender Parteifähigkeit durch Tod regelmäßig nicht notwendig sein. Da es eine Rechtskrafterstreckung auf Personen, die vor Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind, nicht gibt (§ 325 Abs. 1 ZPO),[10] kann der so erwirkte Titel gegen den Erblasser nicht auf seine Rechtsnachfolger umgeschrieben werden. Die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung gegen die Erben setzt nämlich voraus, dass die Rechtsfolge nach Rechtshängigkeit im Klauselerteilungsverfahren durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird (§ 727 Abs. 1 ZPO).

 

Rz. 4

Wird also eine Partei im Zivilprozess von der anderen beerbt, so endet der Rechtsstreit von selbst. Er kann allerdings zur Kostenentscheidung fortgesetzt werden. Um eine Erledigung in der Hauptsache handelt es sich nicht.[11]

Die Unterbrechung tritt in folgenden erbrechtsrelevanten Fällen ein:

Tod der Partei gemäß § 239 ZPO,
Insolvenz einer Partei gemäß § 240 ZPO,
Tod des gesetzlichen Vertreters gemäß § 241 ZPO,
Eintritt der Nacherbfolge im Prozess des Vorerben gemäß § 242 ZPO,
Tod des Anwalts im Anwaltsprozess gemäß § 244 ZPO.
[1] Die Vorschriften der §§ 239 ff. ZPO gelten im Übrigen auch z.B. für das Mahn- oder Kostenfestsetzungsverfahren, nicht aber für das PKH-Verfahren.
[3] BGH NJW-RR 2012, 8; ErbR 2012, 24.
[4] BGHZ 82, 209.
[5] Nur anfechtbar, wenn darüber auch gleichzeitig über die Zulässigkeit der Klage entschieden wurde.
[6] Thomas/Putzo, § 239 Rn 1.
[7] BGH...

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