Rz. 19

 

Zum Thema

Vertiefend Jahnke, Unfalltod und Schadenersatz, 2. Aufl. 2012, § 2 Rn 1 ff.

I. Fehlerhafte Rechtsanwendung

1. Da mihi facta – iura novit curia

 

Rz. 20

In Fortgeltung römischer Rechtsregeln "Da mihi factum, dabo tibi ius"[8] (siehe auch § 138 ZPO) sollte es eigentlich genügen, dem Zivilgericht nur den Sachverhalt darzustellen (Grundsatz der richterlichen Rechtsanwendung). Erläuterungen zu juristischen Auslegungen, der Mitteilung von Rechtsansichten oder zur Rechtsanwendung bedürfte es danach rechtstheoretisch nicht, da das Gericht anhand des dargelegten und festgestellten Sachverhaltes eigenständig das entsprechende Recht auf den Sachverhalt anzuwenden hat.

 

Rz. 21

Parallel zur gesteigerten Unübersichtlichkeit von Rechtsprechung, Verwaltungshandeln und Gesetzgebung hat der BGH[9] den althergebrachten Grundsatz "iura novit curia"[10] allerdings ad acta[11] gelegt und die umfassenden Rechtskenntnisse (verbunden mit entsprechender Haftung gegenüber dem Mandanten) allein dem anwaltlichen Vortrag überantwortet. Unterlässt es der Anwalt, auf ein die Rechtsauffassung seines Mandanten stützendes Urteil des BGH hinzuweisen, und verliert der Mandant deshalb den Prozess, wird der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Anwaltsfehler und dem dadurch entstandenen Schaden nicht deshalb unterbrochen, weil auch das Gericht die Entscheidung des BGH übersehen hat.[12] Der mit der Prozessführung betraute Rechtsanwalt ist seinem Mandanten gegenüber verpflichtet, dafür einzutreten, dass die zugunsten des Mandanten sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich ermittelt und bei der Entscheidung des Gerichts berücksichtigt werden.[13]

[8] Auch ""da mihi facta, dabo tibi ius"": Gib mir die Tatsachen, ich werde Dir das (daraus folgende) Recht geben.
[9] BGH v. 18.12.2008 – IX ZR 179/07 – AnwBl 2009, 306 = BGHReport 2009, 503 = BRAK-Mitt 2009, 69 = DAR 2009, 201 (nur Ls.) = DB 2009, 448 = EWiR 2009, 431 (nur Ls.) (Anm. Römermann) = jurisPR-BGHZivilR 3/2009, Anm. 1 (Anm. Reinelt) = MDR 2009, 473 = NJW 2009, 987 = NJW-Spezial 2009, 126 = WM 2009, 324 = zfs 2009, 255 (Anm. Diehl) (BVerfG v. 22.4.2009 – 1 BvR 386/09 – NJW 2009, 2945 = NZM 2009, 579 hat die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen).
[10] ""Iura novit curia"" (auch ""iura noverit curia""): Das Gericht kennt das Recht.
[11] Der frühere amtliche Vermerk ""ad acta"" (= zu den Akten) wurde auf Eingaben angebracht, die keiner Entscheidung mehr bedurften und archiviert wurden, also zu den Akten gelegt wurden. Die heutige Bedeutung geht dahin, eine (gelegentlich lästige) Angelegenheit als erledigt zu betrachten.
[12] BGH v. 18.12.2008 – IX ZR 179/07 – AnwBl 2009, 306 = BGHReport 2009, 503 = BRAK-Mitt 2009, 69 = DAR 2009, 201 (nur Ls.) = DB 2009, 448 = EWiR 2009, 431 (nur Ls.) (Anm. Römermann) = jurisPR-BGHZivilR 3/2009, Anm. 1 (Anm. Reinelt) = MDR 2009, 473 = NJW 2009, 987 = NJW-Spezial 2009, 126 = WM 2009, 324 = zfs 2009, 255 (Anm. Diehl) (BVerfG v. 22.4.2009 – 1 BvR 386/09 – NJW 2009, 2945 = NZM 2009, 579 hat die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen).
[13] BGH v. 18.12.2008 – IX ZR 179/07 – AnwBl 2009, 306 = BGHReport 2009, 503 = BRAK-Mitt 2009, 69 = DAR 2009, 201 (nur Ls.) = DB 2009, 448 = EWiR 2009, 431 (nur Ls.) (Anm. Römermann) = jurisPR-BGHZivilR 3/2009, Anm. 1 (Anm. Reinelt) = MDR 2009, 473 = NJW 2009, 987 = NJW-Spezial 2009, 126 = WM 2009, 324 = zfs 2009, 255 (Anm. Diehl) (BVerfG v. 22.4.2009 – 1 BvR 386/09 – NJW 2009, 2945 = NZM 2009, 579 hat die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen), BGH v. 24.3.1988 – IX ZR 114/87 – AnwBl 1988, 637 = MDR 1988, 770 = NJW 1988, 3013= NJW-RR 1988, 1489 (nur Ls) = WM 1988, 987, BGH v. 4.6.1996 – IX ZR 51/95 – BB 1996, 2218 = DB 1996, 1866 = NJW 1996, 2648 = VersR 1996, 1499 = WM 1996, 1824, BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 142/05 – AnwBl 2007, 719 = FamRZ 2007, 1316 = MDR 2007, 1071 = NJW-RR 2007, 1553 = VersR 2008, 218 = WM 2007, 1425 = ZIP 2007, 1728, BGH v. 19.6.2008 – IX ZR 111/05 – WuM 2008, 602.

2. Fehlurteil

 

Rz. 22

Fehlentscheidungen der Gerichte sind der Revision nicht uneingeschränkt zugänglich. Bei einfachen Rechtsanwendungsfehlern ist der revisionsrechtliche Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nur dann gegeben, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu besorgen ist, dass dem fehlerhaften Urteil ohne Korrektur durch das Revisionsgericht ein Nachahmungseffekt zukommen oder eine Wiederholungsgefahr damit verbunden sein könnte. Hingegen reicht eine Fehlentscheidung nur in einem Einzelfall selbst dann nicht aus, wenn der Rechtsfehler offensichtlich oder von Gewicht ist.[14] Eine nur fragwürdige oder sogar fehlerhafte Rechtsanwendung begründet keinen Verstoß gegen Art. 3 I, 103 GG.[15]

 

Rz. 23

Zur Einbeziehung und zum Hinweis/Verweis auf BGH-Rechtsprechung führt RiBGH Zoll[16] aus:

Zitat

Dass die Rechtsprechung des BGH von den Instanzgerichten manchmal nicht zutreffend berücksichtigt wird, gehört zum Geschäft. In zahlreichen derartigen Fällen sind die Entscheidungen im Ergebnis trotzdem richtig. Es besteht dann, soweit die Revision nicht vom Berufungsgerich...

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