Rz. 50
Unbestreitbar verbindet den Rechtssuchenden, den Rechtsschutzversicherer und den Anwalt eine Dreiecksbeziehung. Nicht immer verläuft sie – wie oben behandelt – harmonisch.
Rz. 51
Auf dem Forum Rechtsschutzversicherungen hat sich der Deutsche AnwaltVerein (DAV) am 19.10.2011 in Hamburg mit dem Spannungsfeld unter den Beteiligten auseinandergesetzt. Die mit rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gut besuchte Veranstaltung gab Gelegenheit, die unterschiedlichen Positionen kennenzulernen und kontrovers zu diskutieren.
Rz. 52
Zunehmend stärker entwickelt sich zwischen der Anwaltschaft und den deutschen Rechtsschutzversicherern ein Tiefdruckgebiet mit Potenzial. Der DAV kritisiert offen: "Angebot und Praxis der Rechtsschutzversicherer haben sich rasant verändert. Damit sind erhebliche, nicht immer erfreuliche Veränderungen im Umgang mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten und ihren Mandanten verbunden." Einige Versicherer halten selbstbewusst gegen und bewerben die geübte Praxis als zusätzlichen Service für ihre Kunden. Die Süddeutsche Zeitung titelt: "Teurer Lieblingsanwalt" und stellt fest: "Eigentlich darf man in Deutschland seinen Rechtsvertreter frei wählen. Doch die Rechtsschutzversicherer reden dabei zunehmend mit." Die von einigen Rechtsschutzversicherern angebotenen Anwaltspools, Prämienvergünstigungen und Telefonhotlines werden von der Anwaltschaft als Eingriff in bestehende Kundenbeziehungen mit den damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteilen verstanden.
Rz. 53
Vera Mittendorf, Vizepräsidentin des DAV, führte durch die Veranstaltung und gab zu bedenken, dass das Thema Rechtsschutzversicherung "so unbelastet nicht ist". "Mogelpackung, ja oder nein? Legitime Markstrategie der Versicherer oder unzulässige Beeinflussung der Rechtssuchenden?", problematisierte sie gleich zu Anfang der Veranstaltung. Sie blieb mit ihrer Kritik nicht allein.
Rz. 54
Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Präsident des DAV, gab in seinem Grußwort u.a. zu bedenken: "Die Rechtsschutzversicherer wirken heute faktisch auf die freie Anwaltswahl ein." Sie versprechen den Versicherungsnehmern Vorteile, wenn sie sich u.a. durch Mediationsangebote nicht an die Anwälte ihrer eigenen Wahl wenden. Damit, so Ewer, "bricht die Versicherung ihr Versprechen, dem versicherten Bürger die Kosten der Rechtswahrnehmung zu ersetzen."
Rz. 55
Dagegen erachtete Dr. Christian Armbrüster, Juraprofessor an der Freien Universität Berlin, "Empfehlungen mit maßvollen Anreizen" zumindest von der versicherungsrechtlichen Seite her für statthaft. Ob das Sich-vermitteln-lassen von Mandanten durch Rechtsschutzversicherer berufsrechtlich unzulässig ist, dürfte kaum bestreitbar sein. Zumal, so der DAV, die Partneranwälte der Versicherer im Tausch für mehr Kunden Honorarkürzungen hinnehmen müssen. Dies birgt erheblichen berufsrechtlichen Zündstoff und wird die Rechtsanwaltskammern alarmieren und zu einem Tätigwerden anhalten: So ist nach § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO "die Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen […] unzulässig" und dürfte zudem einen Wettbewerbsverstoß darstellen. Der Gesetzeswortlaut ist unzweideutig. Der Verzicht auf Gebühren ist durchaus als eine solche Abgabe anzusehen – und die ausdrückliche Erklärung der Versicherer, keine Vermittlung von Mandanten zu versprechen, vielleicht als Lippenbekenntnis lebensfremd: Warum sonst sollte ein Anwalt auf einen Teil seiner Gebühren verzichten?
Rz. 56
Prof. Dr. Matthias Kilian, Rechtsanwalt und versierter Wissenschaftler an der Universität zu Köln, legte hier den Finger in die Wunde. Schlepperdienste für die Zuführung von Mandanten sollen dem Normcharakter nach grundsätzlich sanktioniert werden, um die Unabhängigkeit des Berufsstandes zu schützen, so die einschlägige Meinung in der Kommentarliteratur. Somit ist nicht alles erlaubt, was gefällt.
Rz. 57
Herbert Schons, Vizepräsident des DAV, führte aus: "Ich liebe Rechtsschutzversicherungen und ich liebe Gebühren, die ich von Rechtsschutzversicherungen erhalte und wie jede Liebe, ist auch diese Liebe nicht unproblematisch", weil die Rechtsschutzversicherer zunehmend mehr in einen Markt vordringen, der bisher den Anwälten vorbehalten geblieben ist.
Rz. 58
Und Oliver Brexl, Rechtsanwalt aus Berlin, hielt es in seinem ebenfalls beachtlichen Vortrag für wettbewerbsrechtlich problematisch, wenn Rechtsschutzversicherer den Rechtssuchenden an Vertragsanwälte vermitteln. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2009 stützt diese Auffassung. Im Leitsatz der Entscheidung heißt es hierzu: "Eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, die ohne entsprechende Erlaubnis erbracht wird, ist auch unter der Geltung des Rechtsdienstleistungsgesetzes nicht deswegen gerechtfertigt, weil sich der Handelnde dabei der Hilfe eines Rechtsanwalts bedient." Das Urteil hat für die Rechtsschutzversicherungsbranche ganz erhebliche Brisanz und der Druck auf die Rechtsschutzversicherer könnte zunehmen. Denn die Kammern...