Rz. 91
In vielen (vor allem älteren) Teilungserklärungen werden bestimmte Gebäudeteile im räumlichen Bereich einer Wohnung dem Sondereigentum zugewiesen. Diese Sondereigentumszuweisungen sind nichtig (→ § 1 Rdn 38). Um ihrem erkennbaren Zweck gerecht zu werden, kommt aber eine Umdeutung gem. § 140 BGB in eine Instandhaltungs- oder Kostentragungsregelung in Betracht. Wenn man den Weg über die Umdeutung nicht für gangbar hält, weil nur ein Teil des ganzen Rechtsgeschäfts "Gemeinschaftsordnung" betroffen ist, kommt eine entsprechende ergänzende Vertragsauslegung in Betracht; die Sachfragen sind dieselben.
Rz. 92
Beispiel
Eine Klausel der Teilungserklärung lautet: "Zum Sondereigentum gehören: […] die Fenster (oder Fenstergläser und Fensterfassungen usw.)." – Fenster können nicht wirksam zu Sondereigentum gemacht werden. Klar ist aber, dass die Teilungserklärung mit der (versuchten) Sondereigentumszuweisung das Ziel verfolgt, die "Verantwortung" für die Fenster auf den Sondereigentümer zu verlagern. Dieses Ziel hätte sich durch eine wirksame Klausel zur Verlagerung der Verwaltungszuständigkeit oder der Kostentragung verwirklichen lassen; also kann man die unwirksame Sondereigentumszuweisung entsprechend umdeuten. Die Klausel ist daher wie folgt zu lesen (str.): a) "Die Erhaltung von Fenstern im räumlichen Bereich einer Wohnung obliegt dem jeweiligen Wohnungseigentümer". Oder: b) "Die Kosten der Erhaltung von Fenstern im räumlichen Bereich einer Wohnung trägt der jeweilige Wohnungseigentümer."
Rz. 93
Die Umdeutung ist schwierig und umstritten. Das umzudeutende Rechtsgeschäft "Gemeinschaftsordnung" stammt vom Bauträger. Man darf nun aber nicht fragen, was für eine Regelung dieser getroffen hätte, wenn er von der Nichtigkeit der Sondereigentumszuweisung gewusst hätte, denn die Teilungserklärung ist objektiv nach ihrem Wortlaut auszulegen (→ § 2 Rdn 83), was den Rekurs auf den hypothetischen Willen des Bauträgers ausschließt. Meistens wird deshalb vertreten, die Umdeutung komme nur "im Einzelfall" in Betracht und könne nur mit Rücksicht auf die konkrete Teilungserklärung erfolgen, der sich (weitere) Ansatzpunkte oder wenigstens eine Tendenz entnehmen lassen müssten, die Verwaltungszuständigkeit oder die Kostenlast auf die einzelnen Wohnungseigentümer zu verlagern. Das ist gut gemeint, gibt der Praxis aber "Steine statt Brot", denn häufig lässt sich einer Teilungserklärung eben nichts anderes entnehmen als die fragliche nichtige Sondereigentumszuweisung. Darin steckt m.E. aber ohne weiteres und zwingend die Aussage, dass der Sondereigentümer jedenfalls die Kosten der Erhaltung des betreffenden Gebäudeteils zu tragen hat, denn das geht mit der (beabsichtigten) Eigentümerstellung zwingend einher.
Rz. 94
Eine Besonderheit gilt, wenn die Teilungserklärung Balkone dem Sondereigentum zuweist ("Sondereigentum an der Wohnung Nr. 8 mit zwei Zimmern und einem Balkon"). Hier werden nicht einzelne Bauteile dem Sondereigentum zugeordnet, sondern wird der Umfang der dem Sondereigentum zugewiesenen Räume definiert (→ § 1 Rdn 37); eine Umdeutung des Inhalts, dass der Wohnungseigentümer auch für die zwingend im Gemeinschaftseigentum stehenden konstruktiven Bestandteile zuständig sei, kommt nicht in Betracht. Würde man das anders sehen, müsste man auch der Zuweisung der Räume einer Wohnung zum Sondereigentum im Wege der "Umdeutung" entnehmen, dass der Wohnungseigentümer die Erhaltungslast für den Estrich, die tragenden Wände usw. trägt, was natürlich nicht der Fall ist.
Rz. 95
Es bleibt die – praktisch höchst relevante – Frage, ob die Umdeutung auch zu dem Ergebnis führen kann, dass nicht nur die Kostenlast, sondern darüber hinaus auch die Erhaltungslast (Verwaltungszuständigkeit) verlagert sein soll. Wenn sich in der Teilungserklärung keine deutlichen Hinweise darauf finden, dass die Sondereigentümer selbst "Hand anlegen" sollen, lässt sich diese Frage m.E. generell wie folgt beantworten: Bei Gegenständen, die optisch und konstruktiv nur die Interessen des betreffenden Wohnungseigentümers berühren (z.B. Balkon- oder Terrassenbelag) ist davon auszugehen, dass ihn die Erhaltungslast trifft, denn die Gemeinschaft hat kein Interesse daran, insoweit tätig zu werden. In allen anderen Fällen ist davon auszugehen, dass die nichtige Sondereigentumszuweisung nur die Kostenlast verlagert, weil es im Interesse der Gemeinschaft liegt, dass die Durchführung solcher Erhaltungsmaßnahmen unter ihrer Aufsicht und Verantwortung erfolgt. Im obigen Beispielsfall ist deshalb m.E. die Umdeutung nach Variante a) richtig: Der Austausch von Fenstern berührt intensiv die Interessen der Gemeinschaft (→ § 1 Rdn 54), weshalb man nicht davon ausgehen kann, dass die nichtige Sondereigentumszuweisung der Gemeinschaft diese Zuständigkeit nehmen soll.