Rz. 25
Hintergrund: Nach der gesetzlichen Konzeption in § 1 Abs. 2 WEG handelt es sich beim Wohnungseigentum um eine Mischung von Alleineigentum und Bruchteilseigentum. Eine Gemeinschaft der Bruchteilseigentümer (Bruchteilsgemeinschaft gem. § 1008 BGB), die wiederum einen Unterfall der "Gemeinschaft" gem. §§ 741 ff. BGB darstellt, besitzt als solche keine Rechtsfähigkeit. Deshalb war es jahrzehntelang eine unumstößliche Gewissheit, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft eine sachenrechtlich geprägte, besonders ausgestaltete Bruchteilsgemeinschaft sei, der keine Rechtsfähigkeit zukomme. Die fehlende Rechtsfähigkeit hatte allerdings einige praktische und dogmatische Probleme zur Folge. So war der Übergang gemeinschaftlicher Verträge auf neu eintretende Miteigentümer bzw. das Ausscheiden ehemaliger Miteigentümer schwer zu begründen. Der BGH gestaltete deshalb 2005 in einem "rechtsfortbildenden" Urteil die Rechtslage grundlegend um und erklärte die Wohnungseigentümergemeinschaft für rechtsfähig, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt; der BGH nannte dies "Teilrechtsfähigkeit". Die Wohnungseigentümergemeinschaft sei zwar keine juristische Person, aber ein Verband sui generis (d.h. "eigener Art"), "eine Personenmehrheit, die durch Gesetz zu einer Organisation zusammengefasst ist". Der Gesetzgeber der WEG-Novelle 2007 griff die BGH-Entscheidung auf und statuierte in § 10 Abs. 6 S. 1 WEG a.F. die Rechtsfähigkeit der WEG, in Übernahme der Vorgaben des BGH allerdings beschränkt auf "die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums". Diese Beschränkung der Rechtsfähigkeit auf den Verbandszweck warf indes kaum zu lösende Fragen auf, weshalb sich schließlich die Erkenntnis durchsetzte, dass der Begriff und die Vorstellung einer Teilrechtsfähigkeit inhaltsleer und verzichtbar sei.
Rz. 26
Der Gesetzgeber griff die Kritik am Konzept der "Teilrechtsfähigkeit" auf und statuierte im Zuge der WEG-Reform 2020 in § 9a Abs. 1 WEG erneut die Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft, diesmal aber ohne die frühere Beschränkung auf den Verbandszweck; insofern ließ der sprichwörtliche "Federstrich des Gesetzgebers" eine ganze Reihe von Problemen Makulatur werden. Die Gemeinschaft steht jetzt strukturell einer juristischen Person gleich. Sie kann gem. § 9a Abs. 1 WEG Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen und vor Gericht klagen und verklagt werden und ist prozesskostenhilfefähig. Die Zwangsvollstreckung gegen die Gemeinschaft und die beschränkte akzessorische Haftung der Miteigentümer für Gemeinschaftsschulden werden unten (→ § 12 Rdn 26 ff.) behandelt. Die Gemeinschaft ist Verbraucherin i.S.v. § 13 BGB, wenn ihr mindestens ein Verbraucher angehört und sie ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder einer gewerblichen noch einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit dient – also im Normalfall. Umstritten ist allerdings die Verbrauchereigenschaft im Stadium der Ein-Personen-Gemeinschaft (→ § 1 Rdn 17). Konsequenz der Verbrauchereigenschaft ist insbesondere der stärkere Schutz des AGB-Rechts beim Abschluss von Verträgen. Die Verwaltung obliegt nicht mehr, wie früher, den Eigentümern (oder dem Verwalter), sondern gem. § 18 Abs. 1 WEG der Gemeinschaft.
Rz. 27
Neben der Wohnungseigentümergemeinschaft gibt es nach wie vor die davon zu unterscheidende Bruchteilsgemeinschaft der Miteigentümer des Gemeinschaftseigentums. Das Nebeneinander dieser beiden Gemeinschaften wirft dogmatisch schwierige Fragen auf, deren praktische Bedeutung aber gering ist, da die Bruchteilsgemeinschaft in der Praxis keine Rolle spielt.
Rz. 28
Gem. § 9a Abs. 1 WEG führt die Gemeinschaft die Bezeichnung "Gemeinschaft der Wohnungseigentümer" oder "Wohnungseigentümergemeinschaft", gefolgt von der bestimmten Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks. Die Abkürzung "WEG" ist üblich; auch die Abkürzung "GdWE" (Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) wird verwendet. Die Angabe der postalischen Anschrift (z.B. WEG, Heinestraße 12, 75324 Musterstadt) ist ausreichend. In diesem Buch wird – entsprechend dem üblichen Sprachgebrauch – die Wohnungseigentümergemeinschaft kurz als Gemeinschaft, WEG oder – in Anlehnung an das Gesellschaftsrecht – als Verband bezeichnet, worunter man eine durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung verfasste mitgliedschaftliche Personenvereinigung versteht, die ihren Mitgliedern gegenüber organisatorisch verselbstständigt ist.
Rz. 29
Die Stellung des Verwalters entspricht derjenigen der Geschäftsleiter anderer Verbände, insbes. der eines GmbH-Geschäftsführers. Gem. § 9b Abs. 1 WEG vertritt er die Gemeinschaft gerichtlich und außergerichtlich. Im Gegensatz zur Rechtslage vor der WEG-Reform 2020 ist die Vertretungsmacht (fast) unbeschränkt und im Außenverhältnis (fast) unbeschränkbar (→ § 10 Rdn 303). Handlungen des Verwalters sind im Rechtssinne solche der Gemeinschaft. Zwischen dem Verwalter und den einzelnen Wohnungseigentümern bestehen keine direkten Rechtsbeziehun...