Rz. 107
Bis zur WEG-Reform 2020 konnte an Außenflächen kein Sondereigentum begründet werden. Um die gesetzlich nicht vorgesehene, aber vielfach erwünschte Zuordnung der nach dem alten Recht nicht sondereigentumsfähigen Flächen und Räume zu einzelnen Wohnungen zu ermöglichen, entwickelte die notarielle Praxis das Sondernutzungsrecht. Man versteht darunter die Befugnis zur alleinigen Nutzung bestimmter Flächen oder Räume unter Ausschluss der übrigen Miteigentümer. Ein Sondernutzungsrecht kann einem Wohnungseigentümer persönlich (selten) oder einem Sondereigentum (genauer: dem jeweiligen Inhaber eines Sondereigentums) zugeordnet sein (Normalfall). Einige typische Anwendungsfälle werden nachfolgend aufgelistet.
Rz. 108
Beispiele
▪ |
Sondernutzungsrecht an Gartenterrassen vor Erdgeschosswohnungen. |
▪ |
Sondernutzungsrecht an Pkw-Stellplätzen im Freien. |
▪ |
Sondernutzungsrecht am obersten Treppenabsatz (→ § 2 Rdn 94). |
▪ |
Sondernutzungsrecht an Kellerabteilen. Die Zuweisung von Sondereigentum ist zwar möglich, zwingt den Bauträger aber zu einer frühzeitigen Festlegung. Sondernutzungsrechte hingegen kann der Bauträger später flexibel entsprechend der Wünsche der Wohnungskäufer begründen bzw. übertragen. |
▪ |
Sondernutzungsrechte an allen im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteilen im räumlichen Bereich des Sondereigentums oder eines Gebäudes ("Gruppensondernutzungsrechte"). Diese notarielle Gestaltungsidee, die bei einer Mehrhausanlage zur "faktischen Realteilung" beitragen soll, ist m.E. bestenfalls als überflüssig zu bezeichnen. |
Rz. 109
Im Zuge der WEG-Reform 2020 wurde die Möglichkeit zur Begründung von Sondereigentum erweitert, um der Rechtspraxis eine Alternative zum gesetzlich nicht geregelten Sondernutzungsrecht zu bieten (→ § 1 Rdn 40). Sondernutzungsrechte sind dadurch aber nicht etwa unzulässig geworden. Weder wandeln sich bisherige Sondernutzungsflächen in Sondereigentum um, noch ist es verboten, in künftigen Teilungserklärungen weiterhin Sondernutzungsrechte vorzusehen. Der Bauträger hat insofern die Wahl, ob er bspw. eine vor der EG-Wohnung befindliche Gartenfläche als Teil des Sondereigentums dieser Wohnung deklarieren oder ob er die Gartenfläche der betroffenen Wohnung als Sondernutzungsrecht zuweisen will. Die in den letzten Jahrzehnten entstandenen Sondernutzungsrechte bleiben wirksam und aufgrund ihrer spezifischen Vorteile werden auch künftig Sondernutzungsrechte begründet werden. Das Thema "Sondernutzungsrechte" muss (und wird nachfolgend) also unverändert erörtert werden; einschlägige frühere Literatur und Rechtsprechung zum Thema bleiben von Bedeutung.
Rz. 110
Ein Sondernutzungsrecht kann nur durch Vereinbarung (bzw. durch die einer Vereinbarung gleichgestellte Teilungserklärung), nicht aber durch Mehrheitsbeschluss entstehen (→ § 2 Rdn 7). Der Sache nach handelt es sich um eine vereinbarte Gebrauchsregelung i.S.v. § 19 Abs. 1 WEG, durch die das Recht zum Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums beschränkt wird. Das sachenrechtliche Grundverhältnis ist nicht betroffen. Durch Eintragung in das Grundbuch wird das jeweilige Sondernutzungsrecht Inhalt des Sondereigentums (§ 10 Abs. 3 WEG) der begünstigten Wohnung. Ein solches verdinglichtes Sondernutzungsrecht kommt dem Sondereigentum im Ergebnis sehr nahe; der praktische Unterschied besteht erstaunlicherweise nur darin, dass der Sondernutzungsberechtigte ohne besondere Regelung zwar dieselben Rechte, nicht aber dieselben Pflichten wie der Sondereigentümer hat.