Rz. 1

Die Enzyklopädie von Brockhaus aus dem Jahr 1995 beschreibt den Testamentsvollstrecker mit nur einem Satz als "vom Erblasser testamentarisch eingesetzte Person, die für die Erfüllung der im Testament festgelegten Bestimmungen zu sorgen hat".[1] Mit anderen Worten: Der Testamentsvollstrecker sorgt dafür, dass der Wille des Erblassers erfüllt wird.[2] Er ist in der Lage, als verlängerter Arm des Erblassers Streit unter der Erbengemeinschaft zu verhindern und jedem Beteiligten zu seinem Recht zu verhelfen. Dafür wurde er vom Gesetzgeber mit einer Vielzahl an Befugnissen ausgestattet. Die geschäftsmäßige Testamentsvollstreckung hat sich von der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes vom 11.11.2004 bis hin zum Rechtdienstleistungsgesetz "rasant entwickelt".[3] Qualitätsoffensiven der verschiedenen Erbrechtsorganisationen in diesem Bereich haben an Bedeutung gewonnen. Auch die deutlich gestiegene Zahl an Fachveröffentlichungen zeigt die steigende Bedeutung auf, welche die Testamentsvollstreckung durch die vermögensverwaltenden Berufsgruppen in den letzten etwa zwanzig Jahren genommen hat.[4]

 

Rz. 2

Als richtungweisend für die professionelle Testamentsvollstreckung haben sich die berufsständischen Vertreter der Steuerberater erwiesen. Am 9.4.2008 wurde die Einigung zwischen der Bundessteuerberaterkammer und dem Deutschen Steuerberaterverband über die Einführung und Verwendung der Fachberaterbezeichnung "Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge" veröffentlicht.[5] Mit Inkrafttreten zum 1.1.2011 ging der gefundene Konsens in die neu gefasste Berufsordnung der Steuerberater (BOSt) ein.

Nach der im Sinne eines effektiven Verbraucherschutzes bedenklichen Zulassung der geschäftsmäßigen Testamentsvollstreckung durch jedermann ohne Qualifizierungsvoraussetzung durch das Rechtsdienstleistungsgesetz wurde ein weiteres allgemein wahrnehmbares Korrektiv geschaffen, das dem mündigen Verbraucher eine sachgerechte Auswahl "seines" Testamentsvollstreckers ermöglicht, die Zertifizierung von Testamentsvollstreckern.[6]

 

Rz. 3

Nach empirischen Untersuchungen[7] liegt die Anzahl der Testamente, in denen Testamentsvollstreckung angeordnet wird, zwischen 5,9 % und 6,92 %. Dabei wird tendenziell in eigenhändigen Verfügungen häufiger Testamentsvollstreckung angeordnet als in notariellen. Berücksichtigt man das Verfügungsverhalten von Erblassern, so ist festzustellen, dass in gemeinschaftlichen Testamenten deutlich weniger Testamentsvollstreckungen angeordnet werden als bei allein Verfügenden. Bei Kinderlosen liegt die Quote der Testamentsvollstreckungen fast doppelt so hoch wie im Durchschnitt. Auch ist feststellbar, dass mit zunehmendem Alter die Vorzüge einer Testamentsvollstreckung eher wahrgenommen werden, ebenso mit zunehmendem Vermögen. Hier steigt die Quote der angeordneten Testamentsvollstreckungen auf über 30 %. Zudem ist zu beobachten, dass bei werthaltigen Nachlässen zu einem sehr hohen Anteil (85,7 %) Fachleute als Testamentsvollstrecker bestimmt werden. Die Fälle, dass dem Nachlassgericht die Auswahl des Testamentsvollstreckers überlassen wird, sind hingegen eher gering.

[1] Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl. 1995, Band 28, S. 3377 (Stichwort: Testamentsvollstrecker).
[2] https://www.agt-ev.de/2021/01/29/erklaervideo-testamentsvollstreckung/.
[3] Veranstaltungsbericht 1. Deutscher Testamentsvollstreckertag, 29.11.2007 in Bonn.
[4] Grunsky/Theiss, WM 2006, 1561; Klümpen-Neusel, ErbBstg 2006, 232; Rott/Kornau, Bankmagazin 2007; Rott, Die Steuerberatung, 2007, 415–422; Schiffer/Rott, BBEV 2007, 351–358; diess., in: Pruns (Hrsg.), Tagungsband zum 3. Deutschen Testamentsvollstreckertag 2010, S. 105–119; https://www.sbk-rlp.de/podcast-nr-84-testamentsvollstreckung/.
[5] Vgl. Gemeinsame Pressemitteilung der BStBK und des DStV e.V. vom 9.4.2008, www.dstv.de.
[6] Vgl. www.testamentsvollstreckerzertifikat.de.
[7] Hier ist besonders auf die Untersuchungen von Metternich, Verfügungsverhalten von Erblassern, jur. Diss. 2009, S. 117–123 hinzuweisen. Die nachfolgenden Feststellungen entstammen dieser Untersuchung. Auch wenn Metternich darauf hinweist, dass die Aussagekraft ihrer Feststellungen aufgrund der regionalen Begrenzung auf die Amtsgerichtsbezirke Potsdam, Neuruppin und Lübben eingeschränkt sein könnte, können jedenfalls die festgestellten Tendenzen nach den Erfahrungen der Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge (AGT), Bonn, www.agt-ev.de durchaus verallgemeinert werden.

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